Studenten wollen das Rad neu erfinden

Das Fahrrad der Zukunft ist in Arbeit – seit neuestem auch in Bremen. Ingenieur-Studenten tüfteln an einem Reisefahrzeug, das weitgehend per Muskelkraft betrieben wird. Das BIBA an der Uni Bremen und die Bremer Ingenieurwerkstatt sind neue Partner

Um zur Arbeit zu fahren, nach Feierabend noch schnell zum Aldi zu flitzen oder auch am Wochenende mal einen etwas ausgedehnteren Ausflug zu machen – dafür ist das Fahrrad gleichermaßen häufig genutztes wie beliebtes Fortbewegungsmittel. Seit Jahrzehnten scheint der Drahtesel weitgehend immun gegen den technischen Fortschritt – es bewegt sich wenig bei der Fahrrad-Technik. Kein Dach gegen Wetterlagen, keine Antriebshilfe für schwache Minuten, keine Möglichkeiten, einen Großeinkauf zu transportieren. Und wer gar in den Urlaub fahren will, ist wieder auf Flugzeug, Auto oder Bahn angewiesen. Waden wie Jan Ullrich haben eben nur wenige.

An dieser Stelle setzte die Idee findiger Studenten der Universität Darmstadt an. Mit möglichst wenig Kraftaufwand und bequemer sollten die Radler und Radlerinnen künftig fahren. Wetterschutz und elektrischer Antrieb fehlen den normalen Drahteseln, beides sollte das neue Gefährt auf dem Stand neuster Technik haben. Zum Beispiel die Bremsenergie muss nicht verloren gehen, sondern kann über einen Generator „aufgefangen“ und in Antriebsenergie für die näöchste Anhöhe umgewandelt werden. „Eingebauter Rückenwind“ nennen die Tüftler diese leichte elektrische Antriebshilfe.

Seit sechs Jahren entwickeln sie in Eigenregie ein modernes Reisefahrrad: den „Läufer“. Inzwischen unterstützt von mehr als 100 Fachleuten aus Wissenschaft und Wirtschaft setzen die Studierenden ihre Ideen um.

Seit kurzem sind das „Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaften“ an der Universität Bremen (BIBA) und die Bremer „Ingenieurwerkstatt“ in die Reihe der Partner aus Industrie und Wissenschaft aufgenommen – neben Daimler-Chrysler, IBM, Rohloff und anderen. Das neuste Modell wurde im BIBA jetzt vorgestellt. Als Experten im Bereich des Energiemanagements in der Fahrzeugtechnologie unterstützen BIBA und „Ingenieurwerkstatt“ das „Läufer“-Team künftig bei der Weiterentwicklung des elektrischen Antriebs. Der „Läufer“ soll aber überwiegend durch Muskelkraft betrieben werden, dank der elektrischen Hilfe sollen durchschnittlich trainierte Menschen mit dem Läufer eine Geschwindigkeit von 40 Stundenkilometern erreichen können.

„Die Studenten wollten nicht nur in der Uni rumhocken und Theorie studieren, sondern eigenständig etwas entwickeln“ erklärt Maschinenbaustudent und Team-Chef Mathias Goldt die Motivation der Nachwuchsingenieure. Mittlerweile schrauben Studenten aus ganz Deutschland an dem Flitzer – aus dem Bereich Maschinenbau ebenso wie aus der Textiltechnologie, dem Industrial Design und der Informatik.

Was die Projekt-Organisation und die Entwicklung, Buchhaltung, Einkauf und Präsentation angeht, organisieren sich die Studierenden selbst. Das heißt also nicht nur Praxis pur sondern auch Verantwortung pur – genau so, wie es sie später im Berufsleben mal erwartet. Hierin liegt auch die Grundidee des Projektes: Die Studenten wollen mit dem fertigen Fahrrad nicht Geld verdienen, sondern vorrangig lernen und die trockene Theorie, die sie an der Uni pauken, in die Praxis umsetzen, erklärt Mathias Goldt.

Bislang sind bereits fünf Generationen von einsitzigen wie auch zweisitzige Prototypen entstanden. Roger Stanislowski von der Ingenieurwerkstatt findet bereits jetzt lobende Worte für die Läufer-Entwickler: „Einige Elemente dieses Fahrzeugs werden wir irgendwann in der Serienproduktion wiederfinden.“ In Serie gehen wird der Läufer allerdings nie: Er wäre viel zu teuer mit all seinen technischen Effekten, erklärt Diplomingenieur Michael Sorg vom BIBA. Was komerziell nutzbar ist, müssen die Unternehmen entscheiden, die Fahhrräder produzieren.

Durch die Kooperation sollen auch Bremer Studenten jetzt die Möglichkeit bekommen, Studien- und Diplomarbeiten zur Entwicklung des Läufers zu schreiben. So können vielleicht auch sie irgendwann ihre „Ideen in der Hand halten“ – wie Mathias Goldt seine Motivation zum Läufer-Bauen benennt.Sabina Fischer