migrantenrat
: Rein in die Politik

Am Wochenende wollen sich mehr als 50 Berliner MigrantInnenvereine zu einem Dachverband zusammenschließen – dem ersten in Deutschland. Das ist mehr als begrüßenswert: Es ist längst überfällig.

KOMMENTAR VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Die MigrantInnen wissen das selbst. Erst das Hauen und Stechen um die wenigen Sitze in dem vom neuen Integrationsbeauftragten Günter Piening ins Leben gerufenen Integrationsbeirat gab ihnen Mut. Nun wollen sie sich selbst vernetzen und organisieren. Zwar löst ein Dachverband nicht die Probleme, die MigrantInnen miteinander haben, aber er macht es leichter – trotz aller Unterschiede –, voneinander zu lernen, miteinander für ihre Rechte zu kämpfen.

Und da gibt es noch viel zu tun: Ein Migrationsrat müsste dringend Stellung beziehen zur Kopftuchdebatte, zur Sprachförderung, zu einem noch zu formulierenden Antidiskriminierungsgesetz und vielem mehr. Das kann für die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Integration nur hilfreich sein. Insbesondere für die Politik, die aus der Zersplitterung der Migrantenszene stets taktisches Kapital schlägt. Ein repräsentatives Organ der Migranten hätte jedenfalls gute Chancen, in dieser Stadt sehr schnell sehr wichtig zu werden – bei immerhin 13 Prozent Migrantenanteil an der Bevölkerung.

Voraussetzung ist allerdings, dass der Verband in sich ein erzdemokratisches Gebilde wird. Denn ist erst einmal der Verdacht enstanden, dass in ihm eine Migrantengruppe die Lufthoheit ausübt, könnte er sich schnell diskreditieren. Sichtbares Misstrauen gibt es schon. Noch wollen dem Verband längst nicht alle Vereine beitreten. Manche wollen erst mal abwarten, ob es sich nur um eine neue Plattform politisch ambitionierter Akteure handelt oder um ein wirklich ernst gemeintes Forum.

thema des tages SEITE 26