Großes Geschacher um den Humangeißbock

Erst geriet der Putsch beim 1. FC Köln zur Lachnummer, nun hat Wolfgang Overath doch den Fuß in der Tür

Heute Nachmittag wird der 1. FC Köln, Tabellenletzter der Bundesliga, beim heimstarken VfL Wolfsburg vermutlich verlieren. Einem wird eine Niederlage, so paradox es zunächst klingen mag, sehr zupass kommen: dem Kölner Altinternationalen Wolfgang Overath, der den FC jetzt irgendwie noch retten soll – als Berater, Einflüsterer oder nur als Maskottchen, notfalls als Humangeißbock.

Ein Retter hofft auf Niederlage? Das passt zur Logik fußballerischer Machtinstallation. Nicht nur um Bundespräsidentenkandidaten wird gefeilscht, bis Lügen wahr zu werden drohen, sondern auch beim Postenschacher im maximal halbseidenen Ballgewerbe. Und wenn Fußball stets ein bisschen wie Politik war, ist der launige „Eff Zeh“ aus der Mauschelmetropole Köln schon immer die Steigerung von großer Politik gewesen.

Auch nach dem desaströsen 1:3 gegen 1860 München, als tausende Zuschauer schon vor der Halbzeit tobend gingen („Vorstand raus!“), hatte sich Overath zunächst wie stets geziert. Dienstag wollte er plötzlich alles: Umgehend Platz machen solle Präsident Albert Caspers (71), bei den Fans eher verhasst als ungeliebt und bei Bild schon als „Abstieg-Albert“ stigmatisiert. Er, Overath, werde den Posten übernehmen und gleich eine Schar anderer kölscher Fußballgrößen mitbringen, darunter den schon als FC-Trainer grandios gescheiterten Schlichtling Stephan Engels. Wie? Ein Konzept hat Overath bis heute nicht vorgelegt.

Caspers blockte ab. Overath sollte vielmehr dem Vorstand beigeordnet werden, eine Art Frühstücksdirektor. Overath bockte wie Hennes VII. und höhnte: „Lächerlich.“ Zu Caspers hatte er schon vor zwei Jahren gesagt: „Weder neben noch unter oder mit Ihnen kann ich arbeiten.“ Am Mittwoch schien alles erledigt. Der FC-Verwaltungsratschef durfte eingestehen: „Das Niveau der Außendarstellung des Vereins entspricht dem Tabellenstand.“

Aber wir sind in Köln. Und also kam man doch „irgendwie charmant flunkernd über die Runden“ (Stadt-Anzeiger). Nach einer neuen Krisensitzung ließ sich der smarte, gertenschlanke Overath (60), der auch als U 50 durchginge und als Repräsentant von Adidas für sein Leben ausgesorgt hat, plötzlich als „Partner des Präsidiums“ installieren. Er solle den sportlichen Bereich „zukunftsorientiert gestalten“. Ein kalter Putsch der Linksfuß-Legende, der schon auf dem Platz stets elegant wirkte und im Zweikampf überaus giftig werkte: Denn entscheidend ist die Option, dass Overath Caspers nachfolgen wird, sobald dieser geht, spätestens Ende 2005.

Oder eben viel früher. Wenn Köln heute doch gewinnt, lag es schon an Overaths Geist, seiner Aura. Bei einer Niederlage folgt der Sturm: Fans werden den Mannschaftsbus blockieren, und Caspers wird dem heiligen Wolfjang frustriert den Staffelstab übergeben. Dann geht es um die Illusion von Abstiegsvermeidung. Zu retten ist der kölsche Chaosclub kurzfristig ohnehin nicht. BERND MÜLLENDER