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: Das Steuerkonzept der Union belegt: SPD bleibt kleineres Übel

Endlich zeichnen sich die Umrisse der Steuerreform ab, mit der Edmund Stoiber und Angela Merkel die SPD angreifen wollen. Es besteht aus zwei Schritten: Im ersten werden die Steuersätze ein wenig gesenkt und ein paar Pauschalen und Abzugsmöglichkeiten abgeschafft. Im zweiten Schritt, unmittelbar nach der Wahl einer unionsgeführten Bundesregierung, wird die Einkommensteuer radikal vereinfacht. Damit wollen CDU und CSU im Wahlkampf punkten und die SPD vor sich hertreiben.

Die Regierungskoalition täte gut daran, sich vor diesem Konflikt nicht länger zu drücken. Denn es geht bei der Steuer nicht um einen Schönheitspreis – es geht um Steuergerechtigkeit. Das Problem der Union ist deshalb auch nicht, dass ihr ursprüngliches Modell durch einen Kompromiss an Glanz verliert. Schwerer wiegt, dass CDU und CSU zu Lasten kleiner und mittlerer Einkommen umverteilen. Wenn die Spitzensteuer ungleich stärker sinkt als der Eingangssteuersatz und Pauschalen gestrichen werden, dann belastet das eben eher kleinere Einkommen. Hinzu kommt, dass die Union noch immer nicht erklärt hat, wie sie die Nettoentlastung von mindestens 10 Milliarden Euro zu finanzieren gedenkt. Um so viel Geld einzusparen, muss die CDU/CSU an Subventionen und Sozialleistungen ran, die Wohlhabende selten brauchen.

Die Koalition selbst hat eine Steuerreform auf den Weg gebracht, die bis 2005 eine Nettoentlastung von 50 Milliarden Euro bringen soll. Die daraus resultierenden Sparmaßnahmen setzen Haushalt wie Konjunktur seit Jahren unter Druck. Auch die rot-grüne Reform entlastet in der Tendenz die höheren Einkommen stärker. Die Regierung hat sich so sehr auf die Perspektive der „Neuen Mitte“ festgelegt, dass sie gar nicht in der Lage ist, den eigentlichen Schwachpunkt des Unions-Modells zu erkennen: die soziale Schieflage. Gerade weil die Sozialsysteme reformiert werden müssen, um auch in Zukunft überleben zu können, darf die Steuerpolitik die strukturelle Mehrbelastung der Schwachen nicht noch steuerlich verschärfen.

Nach dem Wechsel an der Parteispitze sieht es inzwischen so aus, als erkenne die SPD dieses Defizit. Merz und Merkel bieten Müntefering nun die einmalige Chance. Der SPD-Chef muss den Wählern an deren Steuerkonzept bloß haarklein vorrechnen, dass seine Partei gegenüber den konservativen Umverteilern eben doch nur das kleinere Übel ist.

MATTHIAS URBACH

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