Trainingslager ohne Ball

Abschied (I): Der FC St. Pauli trennt sich zurzeit von mehr oder weniger lieben Personen, Institutionen und Althergebrachtem. Im ersten Teil verabschiedet die taz das Vereinsmagazin 1/4 nach 5

von OKE GÖTTLICH

Die Lücke finden. Ein Anspruch, an dem der FC St. Pauli seit Jahren scheitert. Nicht nur sportlich auf dem Rasen suchen die Kicker ständig vergeblich danach, auch abseits des Feldes wird das Klischee des Nischenclubs mehr verkauft als gelebt.

Erhob sich tatsächlich ein Häufchen Andersartigkeit aus dem durchschnittlichen Elend, wurde es von den starken Kadern der Fanpartei, die sich inzwischen innerhalb des Clubs etabliert haben, platt getrampelt. In dem für Mitbestimmer vorgesehenen Fanforum (www.stpauli-forum.de) hörte die Pöbelei gegen das Verlagsprojekt der Vermarktungs KG nie auf. „Für viele sind wir wahrscheinlich auch am möglichen Abstieg schuld“, sagt der ehemalige Redaktionsleiter Rainer Schäfer, dem sonst wenig Humorvolles über seinen ehemaligen Lieblingsverein in den Sinn kommt. „Manchmal kamen wir uns vor, wie ein Fußballer im Trainingslager ohne Ball“, weiß Christoph Ruf.

Doch die Redaktion erinnert sich statt an nervenaufreibende Vereinsinterna der vergangenen Monate lieber an die warmen Worte, die über dem lückenhaftesten Fußballmagazin eines Fußballvereins ausgeschüttet wurde. Selten zuvor war soviel Haut, Kultur und Viertel in einem Vereinsorgan der sonst so einfältigen Stadionmagazinszene der Republik enthalten. Nie zuvor so wenig über Fußball und den eigenen Verein und Arbeitgeber. In der 1/4 nach 5 durften Fußballer lieber halbnackt oder mit einem guten Kochrezept für Unterhaltung sorgen. Auch in der Nachwuchsarbeit hat das Magazin ähnlich erfolgreiche Arbeit geleistet wie Andreas Bergmann mit seinem A-Jugend-Team. Immerhin wird Ex-Kicker, Noch-Co-Trainer und 1/4 nach 5-Kolumnist Markus Lotter demnächst wohl als Journalist für seinen Lebensunterhalt sorgen können.

„Der Vorwurf an uns lautete doch immer, dass wir uns nicht leidenschaftlich genug mit dem Verein und Fußball auseinandergesetzt haben“, sagt Christoph Ruf und ärgert sich über die Doppelmoral einiger Stammtischkommentatoren. „Nun haben wir im letzten Heft ansatzweise und ohne Beleidigungen eine Innenansicht aus dem Verein beschrieben und werden jetzt erneut kritisiert. Da stimmt doch was nicht.“

Die journalistische Chance, mit den sich ergebenden Möglichkeiten nicht alle Geschehnisse im Verein kommentieren zu müssen, machte das Magazin erst zu dem abseitigen Unterhaltungslieferanten, den sich nur ein Verein wie der FC St. Pauli leisten konnte, um wenigstens Reste seines Images zu wahren und sogar auszubauen. „Am Anfang haben uns nur enttäuschte Fußballfans angesprochen, inzwischen gab es zahlreiche positive Reaktionen von Leuten, die mit Fußball nichts zu tun haben aber dennoch Sympathisanten des Vereins wurden“, erklärt Schäfer zu einer Zeit, in der sich selbst das Profil eines redaktionell betreuten Stadtmagazins nach dem journalistischen Ende der „Szene“ weiter hätte ausbauen lassen. Bitter schmeckt der Abschied vor allem deswegen, weil erst vor einem halben Jahr ein Anzeigenverkäufer angestellt worden ist, um Gelder für das, laut Verein, mit 500.000 Euro defizitäre Magazin zu akquirieren. „Natürlich hätten wir uns vor dem Hintergrund der ökonomischen Lage fragen müssen, wie wir das Profil des Heftes überarbeitet hätten“, so Schäfer, „das Angebot einer Diskussion über unsere Inhalte haben die meisten Fans allerdings nie angenommen.“

Ideen für ein regionalligataugliches Stadionheft haben die Blattmacher der 1/4 nach 5 auch schon im Sinn: „12 kopierte Seiten in schwarz/weiß. Das passt wenigstens zum Club und spart Geld.“