Schwarz ins Gefängnis fahren

Wegen Schwarzfahrens haben Heinz und Harry im Gefängnis gesessen. Sie prophezeien: Wenn das ermäßigte Sozialticket abgeschafft wird, steigt die Zahl der Insassen wieder an. Das käme den Senat teuer zu stehen.

Von ELKE SPANNER

Erst fand er es einfach lächerlich. Dann hat er gemerkt: Die meinen das ernst. Und als er dann tatsächlich zwei Monate im Gefängnis saß, hat Heinz gesehen, dass es in Hamburg Alltag ist, für Schwarzfahren in den Knast zu gehen: Vier der acht Insassen in seiner Zelle saßen eine Freiheitsstrafe ab, weil sie mehrfach beim Bahnfahren ohne Ticket erwischt worden war. Wenn die Sozialbehörde wie geplant zum Jahresende das Sozialticket abschafft, mit dem Sozialhilfeempfänger zurzeit ermäßigt HVV fahren können, dann „kostet das den Staat erst richtig viel Geld“, prophezeit Heinz. „Das ist das Blödeste, was die Regierung machen kann.“

Das Sozialticket kostet 15 Euro im Monat. Die Sozialbehörde argumentiert, dass SozialhilfeempfängerInnen auch auf eine CC-Karte ausweichen könnten, die koste nur 22,20 Euro und sei auch Menschen ohne Einkommen zumutbar. Doch diese Karte gilt nicht für den Großbereich, sondern nur für drei Tarifzonen. Dann sind sieben Euro Mehrkosten bei einem Monatsetat von rund 300 Euro „schon eine ganze Menge Geld“, sagt Stefan Karrenbauer, Sozialarbeiter beim Straßenmagazin Hinz & Kunzt. Und außerdem kostet die CC-Karte sogar noch um einiges mehr, nämlich 27 Euro monatlich. Ermäßigt auf 22,20 Euro ist sie nur, wenn man sie im Abonnement bezieht. Beim Abo bucht der HVV den Monatsbetrag regelmäßig vom Konto des Kunden ab. Und „ich bin Sozialhilfeempfänger“, sagt Heinz. „Ich hab überhaupt kein Konto.“

Gerade gestern hat Justizsenator Roger Kusch (CDU) in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass ein Tag im Gefängnis pro Insasse 90 Euro kostet. Laut Sozialarbeiter Karrenbauer sitzen schon jetzt immer rund 10 Sozialhilfeempfänger, die er über Hinz&Kuntz kennt, wegen Schwarzfahrens ein – nicht alle nutzen das Sozialticket. Dass die Zahlen nach dessen Abschaffung noch ansteigen werden, ist für ihn nur logische Konsequenz. Auch Heinz erklärt, dass „da dann eins zum anderen kommt“: Wer schon kein Geld für eine Fahrkarte habe, habe auch keines, um die folgende Geldstrafe zu bezahlen. Deshalb „gibt es deshalb überhaupt keine zwei Meinungen“ darüber, dass das derzeitige Sozialticket „eine gute Sache ist“. Der 58-Jährige hat sich das mal genau ausgerechnet. Er zahlt fürs Bus-und Bahnfahren jetzt im Schnitt 50 Cent am Tag, „das geht“.

Die Sozialbehörde argumentiert, dass Bedürftige sich nach Abschaffung des Sozialticket einzelne Fahrkarten vom Sozialamt erstatten lassen könnten – wenn die MitarbeiterInnen zu der Auffassung gelangen, dass die beantragte Fahrt tatsächlich dringen erforderlich war. Das war auch schon so, ehe die frühere rotgrüne Regierung das Sozialticket eingeführt hatte – wodurch unter anderem gerade dieser Verwaltungsaufwand und die damit verbundenen Kosten vermieden werden sollten. Aber niemand, sagt Heinz, würde für ein paar einzelne Tickets zum Sozialamt gehen. Da könnte man ohnehin nicht einfach vorbeigehen, sondern müsste sich vorher anmelden, „und bis ich da mal einen Termin bekommen habe...“, sagt Heinz und winkt ab.

Auch Harry hat schon wegen Schwarzfahrens im Gefängnis gesessen, mehrfach sogar. Trotz der Haftzeiten ist er anschließend immer wieder schwarzgefahren. Als er zuletzt im Februar 2001 aus der Vollzugsanstalt Neuengamme entlassen wurde, hatte ihm der dortige Leiter den Antrag auf ein Sozialticket gleich in die Hand gedrückt. Seither ist Schwarzfahren „bei mir nicht mehr so angebracht“. Aber im nächsten Jahr, prophezeit er, „geht das wieder los“, nicht nur bei ihm. Und dann kommt er eben wieder in den Knast.