Jahrhundert-Tunnel fertig

Am Samstag wird der Hemelinger Tunnel eingeweiht. Seit den 70er Jahren war er geplant, 1995 sogar von der Großen Koalition beerdigt worden. Jetzt dürfen die lärmgeplagten Anwohner feiern

„Die Verarschung aller Hemelinger“ hat mit dem Tunnel endlich ein Ende

taz ■ Am Samstag um 19 Uhr ist es soweit: Die ersten Autos können dann durch die 593 Meter lange Hemelinger Tunnelröhre fahren. Die Trasse mit einer Länge von insgesamt 600 Metern verbindet dann die Sebaldsbrücker Heerstraße mit dem Autobahnzubringer. Die Ursprünge des Projektes gehen weit ins vergangene Jahrhundert zurück. Als in den 70er Jahren die Sindelfinger Autobauer mit dem Bremer Senat darüber verhandelten, in der Mitte des Stadtteils Hemelingen die alten Borgward-Hallen zu einem modernen Fließband-Betrieb für ihren Daimler auszubauen, war allen Stadtplanern klar: Das geht eigentlich nicht mit den örtlichen Verkehrsanbindungen.

Heute kommen 60 Prozent der 16.000 Arbeiter aus dem Umland nach Bremen – die meisten selbstverständlich mit dem Auto. Außerdem liefern jede Menge LKW die Teile für die Daimler-Montage „just in time“. Um die Lage zu entspannen, lässt sich Bremen die „Stadtteilsanierung“ insgesamt 175 Millionen Euro kosten, im wesentlichen Folgekosten der damaligen Planung.

Die autolärmgeplagten Hemelinger sollen die Fertigstellung des Tunnels feiern. Samstag um 11 Uhr werden SPD und CDU ganz harmonisch im Sinne einer kleinen Wahlveranstaltung für die Große Koalition das Band zerschneiden, danach wird der Tunnel erst einmal für ein Stadtteilfest und Fußgänger zur Besichtigung freigegeben. Abends soll er dann seiner eigentlichen Verwendung zugeführt werden.

Die „Bremer Gesellschaft für Projektmanagement und Verkehrswegebau (GPV) hat das Projekt geplant. Sie ist auch an einer anderen Stelle für die Beseitigung der Folgen früherer städtebaulicher Entscheidungen engagiert worden: Auch das „Güterverkehrszentrum“ (GVZ) im Südwesten der Stadt war in den 80er Jahren ohne angemessene Verkehrsanbindung geplant worden. Seit dieser Zeit quälen sich die LKW Stoßstange an Stoßstange durch die Neuenlander Straße, die Abgas-Emissionen in der Neustadt übersteigen alle innerstädtischen Grenzwerte. Inzwischen wird eine Stelzenautobahn quer durch die Stadt geplant, um das GVZ angemessen an die Autobahn A1 anzubinden.

Im Hemelinger Fall war lange Jahre um die Kosten gerungen worden. Im Jahre 1990 kochte der Protest der Anwohner der Daimler-Trassen durch Hemelingens Wohnviertel so hoch, dass eine Blockade des Zulieferverkehrs im Gespräch war. Der Anlass: Die SPD hatte auf einem Parteitag beschlossen, den Tunnel nicht zu bauen. „Man kann keine Fußgängerzone um eine Fabrik mit 16.000 Beschäftigten herum einrichten“, sagte der Daimler-Sprecher Wendelin von Machui zu dem SPD-Beschluss.

Fünf Jahre später verkündeten auch die Fraktionsvorsitzenden der Großen Koalition, dass der Hemelinger Tunnel nicht gebaut werde. „Stackkamp-Trasse“ hieß damals die Alternative, eine Idee, die schon Jahre zuvor von Bürgermeister Klaus Wedemeier ins Spiel gebracht und dann verworfen worden war. „Wir können doch in dieser dramatischen Haushaltsnotlage nicht 600, 700 Millionen, vielleicht sogar eine Milliarde Mark ausgeben, wenn es Alternativen gibt“, begründete der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Weber die Entscheidung gegen den Hemelinger Tunnel. „Eine Verarschung aller Hemelinger ist das“, schimpfte der damalige Ortsamtsleiter, Hans-Dieter Rissland. Eine Phase neuer Planungen setzte ein – und erst als klar war, dass man in „Trogbauweise“ den Tunnel für 200 Millionen Mark bauen könnte, wurde der Bau wirklich beschlossen. kawe