Im Reich der Stille

Das historische Studio F von Radio Bremen gilt Denkmalpflegern als bundesweit einmalig. „Wir unterstützen jeden, der den Saal erhalten will“, lässt die kleinste ARD-Anstalt verkünden. Trotzdem droht ihm der Abriss

Die gesamte Anstalt soll ins City nahe, aber verkommene „Faulenquartier“ ziehen

Von Benno Schirrmeister

Gut, dann bleibt das Zitat halt ungedruckt, versprochen. Was daran kompromittierend sein soll, ist zwar rätselhaft. Aber es lässt sich ja nachvollziehen, dass man bei Radio Bremen dünnhäutig geworden ist – nicht nur in der Frage des Sendesaals. Das leidige Warten auf die Gebührenerhöhung, die Zukunftsangst, die ganze wackelige Umzugsgeschichte. Aber dazu später mehr. Der Sprecher von Radio Bremen sagt also erst einmal nur: „Wir unterstützen gerne jeden, der den Saal erhalten will.“

Das Studio F: Vielleicht keine Schönheit, aber ein technisches Wunderwerk, für viele Akustiker noch immer der beste Saal Norddeutschlands, und laut Bremens Landeskonservator Georg Skalecki „in seiner Art bundesweit einzigartig“. Beim Bau 1952 wurden neueste Techniken ausprobiert, um den Sound zu verbessern. So handelt es sich um die erste größere federnd gelagerte Raum-in-Raum Konstruktion Deutschlands. Und das funktioniert sogar: Das Resultat hat Radio-Bremen-Tonmeister Andreas Heintzeler als „Stille, die den Raum erfüllt“ beschrieben. Kaum seien die Türen geschlossen, schärfe sich „das Gehör“.

Für den Sendesaal nimmt auch das Bremer Kulturhauptstadtbüro Stellung: „Es wäre verhängnissvoll, dieses Pfund aus der Hand zu geben“, erklärt Uli Fuchs für das Team auf Nachfrage. „Unverzichtbar“ sei der Saal, der „die Laborsituation Bremens“ verkörpere. Ein Image, mit dem man sich für die Bewerbung Bremens um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt 2010 schmücken will.

Alles wunderbar also, große Harmonie. Und doch: Richtig groß scheint die Freude in der kleinsten ARD-Anstalt nicht über die Ehre, dass der Landeskonservator den Bau zum Kulturdenkmal adeln will: Vielleicht hat man diese Nachricht in den Radio-Bremen-Programmen ja bloß verpasst. Aber auch im Online-Archiv fehlt ein Verweis. Und genauso wenig finden dort die 7.000 Unterschriften, die der Verein „Freunde des Sendesaals“ für dessen Erhalt gesammelt hat, Erwähnung.

Stille ist eine seltsame Unterstützung. Und auch nicht besonders geschickt. Denn sie suggeriert, hier wolle sich eine böse Intendanz der gebauten Sendergeschichte entledigen. Das wäre leicht zu erzählen – aber falsch. Denn Radio Bremen befindet sich in einer Zwickmühle. Bislang an getrennten Standorten am Rande der Stadt untergebracht, sollen Fernsehen und Rundfunk zusammen gelegt werden.

Einerseits um die vor drei Jahren durch die Ministerpräsidenten beschlossenen Kürzungen des Etats um rund ein Drittel zu realisieren. Andererseits um ein ambitiöses Stadtentwicklungsprojekt voranzutreiben: Die Anstalt soll in einen Neubau im City nahen, verkommenen „Faulenquartier“ ziehen. Dort plant der Senat ein Medienzentrum. Ohne den Anchor-Mieter Radio Bremen wäre das Projekt tot. Scheitern die Sparmaßnahmen, stirbt der Sender.

Der forcierte Umzug geschieht unter extremem Zeitdruck: Bis 2006, so heißt es, muss er abgeschlossen sein. Finanzierbar wird er nur durch den Verkauf der bisherigen Grundstücke. Der Radio-Standort ist laut Katasteramt knapp10 Millionen Euro wert – wenn die ganze Fläche verfügbar ist. Laut RB-Sprecher Michael Glöckner gibt es Kaufangebote. Doch kein potenzieller Investor habe „Interesse am Sendesaal gezeigt.“ Ihn nach dem Umzug weiter zu betreiben, würde „eine Kostenlawine sondergleichen“ verursachen. Ein privater Käufer würde den Saal wohl abreißen lassen. Auf ein Viertel des Wertes taxiert Radio Bremen den Verlust, würde das historische Studio aus der Verkaufsmasse herausgeschnitten. Nein, „wir haben keinerlei Vorgaben gemacht“, so Glöckner. Niemand könne verlangen, „dass wir auch noch Varianten ausschreiben“.

Aber genau das fordern die Sendesaal-Freunde: „Es war ein Fehler“, so Klaus Bernbacher, Mitbegründer des Vereins, langjähriger RB-Musikchef und Rundfunkratmitglied, „das ganze Grundstück zum Verkauf anzubieten“. Vor allem störe ihn die „behauptete Alternativlosigkeit des Umzugs“. So sei „nie ernsthaft geprüft worden, ob die „Zusammenlegung am Rundfunkstandort nicht billiger käme“. Doch, heißt es vonseiten des Senders. Der Neubau sei die preisgünstigste Lösung – das hätten Gutachten ergeben. Dass diese so genau dem baupolitischen Willen entsprechen, lässt zweifeln. Bernbacher: „Diese Variante ist immer bewusst teuer gerechnet worden.“