Umzingelt von Geldgebern

Hannover 96 beurlaubt Trainer Ralf Rangnick und verliert sich in einem Chaos, das von Männern verursacht wurde, die mit ihrem Geld manchmal Kind spielen. Ein Nachfolger wurde noch nicht bekannt gegeben

von OKE GÖTTLICH

Abseits der Demaskierung aller guten Sitten, die ein Trainerwechsel in der Fußball-Bundesliga üblicherweise mit sich bringt, konnten am Tag der Beurlaubung des Cheftrainers Ralf Rangnick in Hannover reihenweise Rückschlüsse auf die verfahrene Situation des Vereins gezogen werden. Das der von den Fans verehrte Rangnick nach der 0:1-Niederlage vom Samstag in Gladbach würde gehen müssen, war im Umfeld des 96-Präsidenten Martin Kind ausgemachte Sache. Nicht zuletzt die Lokalzeitungen wetterten unverhohlen gegen den Trainer, als sich herausstellte, dass Rangnick nicht in der Lage ist, der teuer erkauften Mannschaft eine europäische Perspektive zu garantieren.

Als die Vereinsführung merkte, dass es mit Geld allein nicht getan ist, begann man die langen Kommunikationsleitungen zu verkürzen: Inzwischen sollen sich Kind und Rangnick sogar persönlich häufiger getroffen haben: „Entgegen den Presseveröffentlichungen hatten Herr Rangnick und ich insbesondere im letzten halben Jahr eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit“, so gestern Kind, dem es sichtlich schwer fiel, sein selbst gesetztes Ultimatum an den Trainer letztlich durchzusetzen.

Kind, der Hannover 96 einst vor der drohenden Insolvenz rettete, hat den Ruf des kalten, skrupellosen Sanierers. Korrekter ist jedoch die Einschätzung, dass Kind wichtige Geldgeber um den Verein gruppiert hat, die mit utopischen, europäischen Zielen vor Augen investiert haben und mit ausbleibendem Erfolg nun populistische Vereinspolitik betreiben. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir vorher intern mit den Sponsoren und den Gesellschaftern diskutiert haben“, erklärte Kind. Der Trainer-Rausschmiss sei dann „im Rahmen der Güterabwägung“ erfolgt.

Dass Geld dabei kein Fußball-Kenner ist, hat sich in Hannover noch nicht rumgesprochen. Sportdirektor Ricardo Moar schießt nicht nur verbale Eigentore en masse, sondern muss sich – wie Rangnick auch – ankreiden lassen, für mittelmäßige Spieler viel Geld ausgegeben zu haben, die den gewünschten Erfolg nicht brachten. Das Moar seit seiner Installierung beständig Soli hinlegt und nicht zu einer teamfähigen Arbeit in der Lage ist, wird ein Problem des Präsidenten bleiben – mindestens bis zum Saisonende.

Zuvor muss er mit seinen Geldorados die Nachfolge für Rangnick klären. Bewerber wie Friedhelm Funkel, Andreas Brehme und Ewald Lienen würden wohl nur bis zum Saisonende installiert werden, um für die Spielzeit 2004/2005 Huub Stevens als einzig Wahren zu präsentieren. Der Niederländer würde dem von Rangnick formulierten Anforderungsprofil entsprechen: „Man muss sich in diesem Geschäft ein dickes Fell aneignen – erst recht in Hannover.“