Der Penis des Psychiaters

Bernd Pfarr und Hans Traxler im Wilhelm-Busch-Museum. Ein Ausstellungsbesuch

Architektur ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Sehr deutlich sieht man das auch in Hannover, weshalb es den Hannoveraner massiv ins Vorkriegshafte und Grüne drängt. Ein bisschen von beidem hat er sogar in zentraler Lage: Im Georgengarten prangt das Wilhelm-Busch-Museum und lockt. Viele hundert Menschen kamen zur Eröffnung der Doppelausstellung mit Bildern von Bernd Pfarr und Hans Traxler in der vergangenen Woche. Es war ein Sonntagvormittag; in den hannöverschen Kirchen muss es angenehm still gewesen sein.

Die Betrachter der Künste von Pfarr und Traxler indes brauchen weder auf Gott noch auf kirchliches Personal zu verzichten. Gott ist ein regelmäßiger Besucher im Universum von Bernd Pfarr: ein älterer, weißbärtiger Herr, der mit seiner ersten, sehr zwergig-plump geratenen Giraffe noch unzufrieden ist, an Bildern vom Urknall seine Freude hat, ein besonders wohlgeratenes Mäuerchen für eine Perle seiner Schöpfung hält oder sich im Dynamitgeschäft mit ausreichend Material zur Herbeiführung des Weltuntergangs eindeckt. Es gibt gar nicht so wenige Wächter und Pächter Gottes, die Pfarrs liebevolle Darstellungen eines latent schrulligen Schöpfers für Blasphemie halten. Werch ein Illtum: Es sind seit langem die Produzenten komischer und satirischer Kunst, die das Andenken Gottes bewahren und sein Ansehen hochhalten. Dass Gott in ihrer Betrachtungsweise weniger unnahbar, versteinert und rechthaberisch aufschimmert als in theologischer Sicht, könnte auch Christen freuen – wenn sie denn von Freude nicht immer bloß säuerlich redeten, sondern stattdessen ihrer fähig wären.

Auch kirchliche Würdenträger müssten erleichtert und begeistert sein über jeden, der sie nicht ausschließlich als autoritäre Mumien, als anachronistische Oblatenschleudern oder als salbungsvoll frömmelnde Päderasten wahrnimmt. Hans Traxler, der jetzt bald 75-jährige Mitbegründer von Pardon und Titanic, zeichnet und bedichtet Päpste mit großzügiger Freundlichkeit: „Noch besser war Calixt der Vierte / der seine Katze konfirmierte.“ So närrisch und verschroben kommt die machtgesättigte Vatikanaille daher, und auch die derzeit noch aktuelle oberste Polen- und Katholenkugel Papst Wojtyła ist bei Traxler vor allem ein passionierter Rollbahnküsser.

Wie Traxler überhaupt die groß Genannten der Welt auf Augenhöhe präsentiert, seien sie Maler, Dichter, Philosophen oder Herrscher. Nietzsches Wunsch nach Frauenpeitschen entsprang laut Traxler einem dem Gesäß des Dickdenkers zuvor verabreichten Frauenfußtritt: „Holterpolter! Auf die Stiegen / sieht man Friedrich Nietzsche fliegen!“ Für Franz Kafka hat sich bei Traxler das schöne Leben schon im Alter von fünf Jahren erledigt: Während die Eltern nach getanem Vergnügen im ehelichen Lotterbette schmurgeln, krabbelt ein übergroßer Marienkäfer auf den kleinen Kafka zu. Eine Krise droht auch im Hause Freud: „Keiner weiß, wie es geschehn is – / Sigmund Freud sucht seinen Penis. / Nein, nicht den Penis, das SYMBOL! / Da hilft kein Schnaps, kein Alkohol / Er sucht im Haus, in allen Ecken / denn irgendwo muss es ja stecken!“ Traxler lässt Frau Freud Rettung bringen in Gestalt einer Zigarre von gewaltigen Ausmaßen. „Auch Feuer gibt sie ihrem Freud – / und alles ohne Penisneid!“

Schön wilhelmbuschig inspiriert klingt das; mit ganz eigener Handschrift verbeugt sich Traxler vor dem 1908 gestorbenen Alt- und Großmeister der Dichterzeichner und adaptiert in Verehrung den Reim mit „Küchenpersonal“ aus der „Frommen Helene“ von Busch: „Marx, wie man weiß, der hatte mal / nen Hang zum Küchenpersonal.“ Traxlers Goethe darf es sich auf italienisch gut gehen lassen in Rom: „Am Abend far l’amore / im Brunnen vor dem Tore“ – in dem eine muntere Planscherei im Gange ist. Und auch bei Traxlers Heinrich Heine / sieht man, in Lüsten, zwei Paar Beine.

Der König der gemalten Literatur ist Bernd Pfarr – mit einem Bild und einer kurzen Legende in Prosa erzählt er ganze Lebensgeschichten, bevölkert von reizend seltsamen, eigenartigen Geschöpfen, seien sie Mensch oder Tier. In Pfarrs Bildern waltet die innige Sorgfalt und Liebe, die der profane Alltag so oft vermissen lässt. Das muss das Paradies sein: Dem Erdenschund entronnen eine Figur von Bernd Pfarr werden.

Warum in Hannover aber neben wirklich jedem Bild von Pfarr sein Geburtsjahr 1958 angegeben ist, bleibt das Geheimnis dieser Ausstellung des Wilhelm-Busch-Museums – deren Besuch ich ansonsten auch jedem rückhaltlos empfehle, für den er mit einer Reise verbunden ist. Schließlich sind nicht nur Hannoveraner trostbedürftige Wesen. WIGLAF DROSTE

Bernd Pfarr, Komische Kunst / Hans Traxler, Bildergedichte. Wilhelm-Busch-Museum, Hannover, Georgengarten, bis 31. 5. 2004, Di.–Sa. 11–16 Uhr, So. 11–18 Uhr. Bernd Pfarr: „Komische Kunst“. Kein & Aber 2003, 128 S., 25 €. Hans Traxler: „Bildergedichte“. Sanssouci 2004, 80 S., 17,90 €