Bereit für neue Sphären

Bei der Hallen-WM der Leichtathleten werden erstmals im Frauen-Stabhochsprung fünf Meter aufgelegt. Zwar gelingt es der Russin Jelena Isinbajewa noch nicht, diese zu überfliegen, die Jagd nach der mythischen Marke aber ist eröffnet

BUDAPEST taz ■ Swetlana Feofanowa war muffelig, und dass sie „natürlich nicht zufrieden“ war, hätte sie gar nicht erwähnen müssen – man sah es. Ihr blasses Gesicht war eine Nuance bleicher als sonst, die freudlose Miene noch verhärmter, die wässrig blauen Augen waren etwas trüber. Die russische Stabhochspringerin hatte am Samstag ihren Titel und ihren Weltrekord verloren samt einem Preisgeld von 90.000 US-Dollar, und das alles an ihre ungeliebte Landsfrau Jelena Isinbajewa. Die hatte sich bei der Hallen-WM der Leichtathleten in Budapest mit 4,86 Meter den Rekord zurückgeholt, den sie in diesem Winter schon einmal kurzzeitig besaß mit 4,83, ehe Feofanowa ihn vor zwei Wochen wieder an sich gebracht hatte mit 4,85. „Das war eine extra Motivation für mich“, gab Jelena Isinbajewa lächelnd zu. Inwieweit dieses Ergebnis wiederum Swetlana Feofanowa anstacheln wird, war nicht mehr zu klären: Die 24-Jährige hatte sich längst missmutig getrollt.

Swetlana Feofanowa ist wohl die Einzige, die sich ungern an diesen Wettkampf erinnern wird, der ja doch sehr denkwürdig war. Am Ende lag die Latte erstmals bei einem offiziellen Stabhochsprung-Wettkampf der Frauen auf der Höhe von 5,00 Metern, die Springerinnen probten den Vorstoß in eine neue Sphäre. Aber auch da war Feofanowa, die Welt- und Europameisterin im Freien, nicht mehr dabei. Mit 4,70 Metern landete sie auf Platz drei. Isinbajewa und die Olympiasiegerin Stacy Dragila hingegen überquerten 4,81, und als die Russin auf Anhieb und mit deutlichem Abstand zur Latte auch 4,86 m schaffte, sparte sich die Amerikanerin ihre restlichen Versuche für 4,91 auf. Als sie daran scheiterte, hob Isinbajewa das Maß noch einmal an – auf besagte 5 Meter, die mythische Marke. „Ich war neugierig, ob ich das schaffen kann“, sagte sie. Das tat sie zwar nicht, aber es sah auch nicht schlecht aus. Sie beließ es trotzdem bei nur einem Versuch.

Nun darf man sich auf einen Sommer freuen, in dem sich die Springerinnen in dieser noch relativ jungen Frauendisziplin gegenseitig hoch schaukeln werden; es will ja jede die Erste sein, die diese Barriere überspringt. „Ich muss jetzt sofort nach Hause und mir ein paar neue Stäbe besorgen“, sagte Stacy Dragila. Am Ende des Wettkampfs hatte sie ihren längsten und härtesten Stab hervorgekramt, mehr war nicht mehr drin in ihrer Tasche. Auch Isinbajewa kündigte an, sich härtere Geräte anschaffen zu müssen für die Höhenjagd – die Frauen rüsten auf. Mental scheinen die 5 Meter jedenfalls kein Problem mehr zu sein. Isinbajewa sagte, sie müsse noch an technischen Details arbeiten; Dragila meinte, es sei nur noch eine physische Frage: „Ich fühle, dass ich das schaffen kann. Mir ist am Ende bloß die Kraft ausgegangen.“ Die 32 Jahre alte US-Amerikanerin verließ Budapest dennoch mit dem Gefühl eines „Schubes für die Sommersaison: Da mische ich wieder mit.“

Dieses Gefühl hatte auch Nastja Ryshich aus Ludwigshafen, eine der wenigen Finalteilnehmerinnen des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) in Budapest. Die Hallen-Weltmeisterin von 1999 hatte jahrelang mit Verletzungen zu kämpfen, zuletzt vor anderthalb Jahren mit einem Bandscheibenvorfall. Über ihren achten Platz mit einer Höhe von 4,40 Meter freute sie sich deshalb überschwänglich. „Der letzte Sprung über 4,50 Meter war einer der besten, die ich je gemacht habe“, sagte sie, obwohl es ihr nicht gelungen war, ihre Bestleistung einzustellen. Ryshich hatte zu einem härteren Stab gegriffen und war ganz überrascht, welche Möglichkeiten ihr der eröffnete: „Das war technisch was ganz anderes, ein richtiger Männersprung“, schwärmte sie, „leider hatte ich noch einen Frauenstab in der Hand.“ Nastja Ryshich hat zumindest den Anschluss geschafft, aber sie macht sich keine Illusionen über die Spitze in ihrer Branche: „Die ersten drei sind eine Klasse für sich.“

JOACHIM MÖLTER