Mit kalter Effektivität

Vor allem dank ihrer Tormaschine Roy Makaay gewinnen die Münchner Bayern in Leverkusen mit 3:1, wahren ihre Chancen im Titelkampf und treiben den Gegner in noch tiefere Verzweiflung

AUS LEVERKUSEN ERIK EGGERS

Hohn und Spott ergossen sich über den Gastgeber, der noch vor sechs Wochen zu den Sternen – ergo zur Deutschen Meisterschaft – greifen wollte. Vielleicht übertrafen sich auch deshalb die Akteure des bayrischen Rekordmeisters – gewollt oder nicht – mit fiesen Bosheiten, als das 1:3 von Bayer Leverkusen gegen den FC Bayern München feststand. „Wir haben es hier versäumt“, bemerkte Bayern-Manager Uli Hoeneß maliziös, „etwas für das Torverhältnis zu tun.“ Auch der zweifache Torschütze Makaay fand: „Normal müssen wir hier noch mehr Tore machen.“ Und Michael Ballack stufte seinen ehemaligen Arbeitgeber gar herab zu einer Art Sparringspartner und sprach von einem „wichtigen Sieg bei einem Gegner, der eine ähnliche Spielanlage wie Real Madrid hat“.

Allein Ottmar Hitzfeld wollte sich – wie immer ganz Gentleman – nicht an diesen Injurien beteiligen und schoss lieber rhetorische Spitzen gegen die Medien. „Totgesagte leben länger“, sagte der Bayern-Trainer lächelnd. „Viele hatten uns ja schon abgeschrieben.“ In Leverkusen strahlten die Bayern ein beklemmendes Selbstbewusstsein aus, mit jedem Satz, mit jedem Blick, aus jeder Pore.

Wie elend hingegen wirkten die Leverkusener, sie schlichen vom Platz, wortlos, die Köpfe gesenkt, begleitet von Pfiffen. Erst einen Punkt haben sie in der Rückrunde verbuchen können, einen Uefa-Cup-Platz belegen sie nur noch wegen des besseren Torverhältnisses gegenüber Schalke. Es sind freilich nicht nur Statistiken dieser Art, die den Trainer Klaus Augenthaler verzweifeln lassen. Spätestens nach dem 0:2 konstatierte er ein „Gefühl, dass die Mannschaft innerlich zerbricht“. Sie glaube momentan nicht an sich „und auch nicht daran, dass sie ein Spiel umdrehen kann“, diagnostizierte Augenthaler kopfschüttelnd. „Es ist dramatisch“, meinte Nationalspieler Carsten Ramelow. „Wir sind dabei, alles zu verspielen.“

Dass diese Partie strahlende Sieger und kleinlaute Verlierer präsentieren würde, darauf hatte freilich in den ersten 40 Minuten nichts hingedeutet. Die Mannschaften hatten den Schwerpunkt auf die Defensive gelegt, das Ergebnis war eklatante Chancenarmut. Dann jedoch passierten zwei Szenen innerhalb von 60 Sekunden, die man als Kondensat des Spiels betrachten konnte. Zunächst legte Leverkusen einen famosen Spielzug hin, den Franca nicht erfolgreich abschließen konnte. Im Gegenzug konnte Ballack den Ball dann ungestört zu Zé Roberto passen, und dessen Flanke nutzte der überragende Roy Makaay zur Führung. Entscheidenden Anteil an diesem Gegentreffer besaß erneut Jens Nowotny. Zwar wollte der Kapitän den Flankengeber Zé Roberto stören, doch er kam, weil er aufgrund einer Kniestauchung nur noch humpeln konnte, zu spät. So stand die Frage im Raum, warum Augenthaler seinen Abwehrspieler nicht sofort nach der Verletzung ausgetauscht hatte.

Eine Miniatur für das große Ganze waren diese Szenen auch deshalb, weil sich in ihnen die grundsätzliche Verfassung beider Mannschaften spiegelte: Leverkusen besitzt zwar nach wie vor enormes spielerisches Potenzial, auch ohne den schmerzlich vermissten Gestalter Robson Ponte. Doch im Angriff fehlt es an der sagenhaften Präzision und kalten Effektivität, die das Münchner Spiel und die Tormaschine Roy Makaay auszeichnet. Als der Holländer zehn Minuten vor seinem ersten Tor eine große Kopfballmöglichkeit vergab, ahnte jeder im Stadion: Eine weitere Chance dieser Qualität wird der nicht versieben.

Hitzfeld, sonst kein Mann der überschwänglichen Komplimente, lobte nach dem Spiel nicht nur die Quote seines Torjägers, der in seinem 21. Liga-Einsatz die Treffer 14 und 15 erzielte. Ihm hatte vor allem dessen Spielintelligenz gefallen: „Er hat sich weiterentwickelt, er kann jetzt auch das Spiel verlagern“, schwärmte Hitzfeld. Wenn die Bayern am Mittwoch tatsächlich noch reüssieren sollten bei Real Madrid, dann wird dies nicht nur verbunden sein mit einer tadellosen Abwehrorganisation, wie sie Bayern in Leverkusen präsentierte. Es wird auch etwas zu tun haben mit dem Namen Makaay. Warum die Spanier vor diesem Phänomen den größten Respekt haben, hat jedenfalls jeder Leverkusener Zuschauer verstanden.