Schmidt kämpft für Homöopathie

Ärzte und Kassen wollen homöopathische und anthroposophische Medikamente nicht mehr erstatten, weil ihre Wirksamkeit umstritten ist. Die Gesundheitsministerin hält dagegen – sie will die Vielfalt in der Therapie wahren

BERLIN taz ■ Wie viel Naturarznei braucht der Kassenpatient? Heute in einer Woche will der Bundesausschuss aus Ärzten und Kassenvertretern klären, welche rezeptfreien Pillen ein Kranker auch künftig auf Kassenkosten schlucken darf. Wer Öko-Heilmittel schätzt, muss sie in der Regel selbst bezahlen, meint der Ausschuss. Vor einigen Tagen legte er eine Liste vor, nach der nur noch vier pflanzliche Arzneien von den Krankenkassen übernommen werden. Nun protestiert Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und fordert, dass die Kassen auch andere homöopathische und anthroposophische Medikamente erstatten. Nur so sei die Therapievielfalt gewahrt.

„Over the counter“-Produkte nennt die Fachwelt all jene Medikamente, die auch ohne ärztliches Rezept abgegeben werden. Bislang galt: Wenn der Arzt ein solches Produkt verschreibt, bezahlen es auch die Krankenkassen. Seit der Gesundheitsreform ist das abgeschafft. „Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden in die Eigenverantwortung der Versicherten übertragen“, sagt das Gesetz. Doch es lässt Ausnahmen zu, die nun eine Arbeitsgruppe des Bundesausschusses aus Ärzten und Krankenkassenvertretern präzisierte. So sollen die Kassen zahlen, wenn Kinder und Jugendliche die Präparate brauchen. Auch fordert das Gremium, dass die Kassen etwa 40 Medikamente erstatten, mit denen Ärzte üblicherweise schwere Krankheit therapieren. Ein Herzinfarktpatient darf Aspirin weiter auf Kassenrechnung kaufen, ein Schilddrüsenkranker etwa erhält Jodid auch künftig auf Rezept.

Würde die Liste in ihrer jetzigen Form gültig, dürften die Kassen nur noch wenige bewährte Naturprodukte finanzieren: Johanniskraut, mit dem Ärzte mittelschwere Depressionen lindern, Mistelpräparate für Krebspatienten, Ginkgo für Demenzkranke sowie Flohsamenpektine bei Erkrankungen des Dickdarms.

Das sei zu wenig, sagt Ministerin Schmidt. „Schwerkranke sollen weiterhin auch homöopathische und anthroposophische Medikamente erhalten“, so Schmidt – wenn sie innerhalb der eigenen Therapierichtung als wirksam anerkannt sind.

Bei vielen pflanzlichen Produkten sei gar nicht bewiesen, dass sie therapeutisch nützen, argumentieren hingegen die Ärztevertreter. Die Öko-Präparate sind billig und nebenwirkungsarm, entgegnen ihre Kritiker und verweisen auf Heilungserfolge. Ob allein der Glaube hilft oder tatsächlich der Wirkstoff, lässt sich oft nicht überprüfen.

Finanziell lohnt es sich für die Ministerin kaum, Natur-Pillen aus den Kassenhaushalten zu bannen. Insgesamt will Schmidt bei den rezeptfreien Medikamenten eine Milliarde Euro einsparen. Für alternative Arznei geben die Kassen derzeit aber lediglich 60 Millionen Euro aus.

Wohl deshalb suchen auch Ärzte- und Kassenvertreter den Kompromiss. Sie sind offenbar bereit, vor dem 16. März noch einmal zu überdenken, welche Natur-Pillen der Patient auch künftig auf Kassenkosten kaufen darf. COSIMA SCHMITT