Köhler reicht Agenda 2010 nicht

Präsidentschaftskandidat verlangt weitere Veränderungen am Sozialstaat. Gewerkschaftsvertreter sehen Köhler als „Vertreter des großen Geldes“ an

BERLIN taz ■ Der von der Opposition nominierte Präsidentschaftskandidat Horst Köhler (CDU) hat bei seinem ersten Auftritt in der Bundesrepublik zu weiteren Reformen aufgerufen. Köhler lobte gestern zwar erneut die Agenda 2010 der Regierung, machte aber zugleich klar, dass diese „nicht ausreicht“. Vielmehr seien weitere Veränderungen des Sozialstaats notwendig.

Wie Bundeskanzler Gerhard Schröder betrachtet Köhler diesen Prozess offenbar vor allem als ein Vermittlungsproblem gegenüber der Bevölkerung. Der bisherige IWF-Chef betonte, man müsse den „Menschen besser erklären, warum der Sozialstaat umgebaut werden muss“. Der Siegeszug von Marktwirtschaft und Demokratie habe neue „Herausforderungen“ gebracht. Deutschland, so Köhler, „muss sich diesem Prozess stellen“.

Die Situation nannte Köhler „ernst“. Deutschland habe aber das Potenzial, mit den Herausforderungen „fertig zu werden“. Als wichtigsten Faktor der Zukunft erklärte der Bundespräsident in spe die Förderung von Wissenschaft und Bildung.

In der Zeit bis zur Wahl am 23. Mai will Köhler durch Deutschland reisen und Kontakte knüpfen. Seine erste Reise werde ihn in die Region Leipzig führen, wo er seine Kindheit verbracht hat, kündigte Köhler an.

In Anwesenheit der Unions-Chefs Merkel und Stoiber erklärte Köhler, er verstehe sich nicht als „Symbol für den Wechsel im Jahre 2006“. In den letzten Tagen hatten Oppositionsvertreter den Eindruck vermittelt, als sei ihre Entscheidung für den gemeinsamen Kandidaten Köhler vor allem ein Signal für die Bundestagswahlen in zwei Jahren.

Die Gewerkschaften haben am Wochenende Vorbehalte gegen Köhler geäußert. Der bisherige Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) sei „ein Vertreter des großen Geldes und nicht des kleinen Mannes“, sagte Andreas Steppuhn vom Vorstand der IG BAU. IG-Metall-Chef Jürgen Peters fragte, „ob nun gerade ein dezidierter Vertreter der internationalen Finanzpolitik höchster Repräsentant der Bundesrepublik werden soll“. Ver.di-Vizechefin Margret Mönig-Raane sagte, die Benennung Köhlers zeige unabhängig von seiner Persönlichkeit, dass alles der „kühl kalkulierenden Wirtschaft untergeordnet“ werde. KLH