CAROLINE ATTARD, MALTA
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Ihr Elternhaus in dem Dorf St. Venera hat Caroline Attard nur ein einziges Mal für längere Zeit verlassen: als sie nach England zum Studieren ging. Da war sie schon Ende 20. Als sie ein Jahr später nach Malta zurückkehrte, zog sie selbstverständlich wieder bei ihren Eltern ein. „Alles andere hätte einen Skandal gegeben“, sagt die heute 30-Jährige. Als allein stehende Frau mit einem abgeschlossenem Pharmaziestudium und einem ordentlichen Job beim maltesischen Gesundheitsministerium etwa eine eigene Wohnung mieten zu wollen: „Auf Malta ziehst du erst aus, wenn du heiratest.“ An diesem ungeschriebenen Gesetz, sagt Attard, die für ihr Ministerium gesundheitliche Aufklärungskampagnen ausarbeitet, werde sich vermutlich auch mit dem EU-Beitritt Maltas wenig ändern – der Einfluss der katholischen Kirche auf den Alltag der Menschen auf der blockfreien Mittelmeerinsel sei zu groß.

Als wirklich störend empfindet sie ihn nicht. „Ich bin mit der Kirche aufgewachsen“, sagt sie. Mindestens zwei Nachmittage pro Woche verbrachte sie als Schülerin in Jugendtreffs ihrer Gemeinde. „Ich höre auch heute auf die Kirche.“ Weswegen sie ihrem Freund, einem Niederländer, mitgeteilt hat, dass ein Zusammenleben ohne Trauschein für sie tabu ist.

Nur manchmal geht ihr die katholische Moral zu weit: Als sie neulich im Auftrag des Ministeriums einen Film für den Schulunterricht drehen ließ, der sich mit den Risiken und Nebenwirkungen von Sex beschäftigte und die Existenz von Kondomen erwähnte, durfte der Film auf Druck der Kirche nicht gezeigt werden. „In solchen Momenten wünsche ich mir manchmal, woanders zu leben.“ Sie glaubt, dass dieser Wunsch mit der EU zu verwirklichen ist. HH