Zypern: Mitspielen dürfen nur Jungs

VON KLAUS HILLENBRAND

Nein, einsam fühle sie sich nicht, meint Androula Vassiliou. Dabei hätte sie allen Grund dazu. Vassiliou hat als Abgeordnete im Parlament der Republik Zypern nicht gerade viele Kolleginnen. 56 Mitglieder hat die Volksvertretung, ganze sechs sind Frauen. „Eine Quotierung in den Parteien wäre sehr hilfreich“, ist ihre Überzeugung. „Nur dann wären die Menschen bereit, Frauen als Politikerinnen zu akzeptieren.“

Wie das Parlament, so die Gesellschaft. „Frauen in höheren Positionen sind immer noch extrem selten“, meint Myria Vassiliadou, die das Mittelmeer-Institut für Gender-Studien in Nikosia leitet. Tatsächlich arbeitet unter elf Ministern mit Constandina Akkelidou als Chefin des Gesundheitsministeriums nur eine einzige Frau. Von sämtlichen Bürgermeistern ist nur eine weiblich.

In der Privatwirtschaft verdienen Zypriotinnen gerade einmal 76,4 Prozent des Lohns ihrer männlichen Kollegen. Ein rekordverdächtiger Wert: Der EU-Gleichstellungsbericht nennt für alle EU-Mitglieder eine durchschnittlich um 16 Prozent schlechtere Bezahlung für Frauen im Jahre 2001.

Hochzeit auf dem zypriotischen Dorf: Unter einer großen Eiche hat sich fast die gesamte Ortsbevölkerung versammelt. Die Reihen der Kunststoffstühle sind dich besetzt, als – Höhepunkt der Zeremonie – eine große Matratze auf einem Blechgestell ausgebreitet wird und der Priester das Bettzeug segnet. Verheiratete Frauen tanzen zur Volksmusik einer Kapelle um die Matratze, nähen die Laken zusammen. Dann naht der große Augenblick für einen kleinen Jungen: Der Bub wird von seiner Mutter kreuz und quer über die Matratze gerollt. Mädchen haben auf ihr nichts zu suchen.

Ist es also die klassische traditionelle und männerdominierte Gesellschaft, die auf Zypern die Ungleichheit der Geschlechter hervorbringt? „Natürlich leben wir in einer männlich-chauvinistischen Gesellschaft mit all ihren Traditionen“, meint die Parlamentsabgeordnete Vassiliou. Die Wissenschaftlerin Vassiliadou hat noch andere Ursachen für die männliche Dominanz ausgemacht. „Die Teilung Zyperns seit 1974 hat die Gesellschaft bis heute dominiert“, ist ihre Überzeugung. Die „nationale Frage“ hat alle anderen gesellschaftlichen Probleme in den Schatten gestellt.

Tatsächlich, so Vassiliadou, habe Zypern im Zuge der EU-Integration alle Gleichstellungsgesetze übernommen. Hier gebe es so gut wie keine Diskriminierung. Im Justizministerium wurde eine Gleichstellungsbeauftragte installiert – mit einem Mitarbeiter. Nur Diskussionen, sagt sie, habe es nie gegeben.

„Gesetze lassen sich leicht ändern, Meinungen nicht“, davon ist auch Sophia Georgalla überzeugt. Sie arbeitet in der „Panzypriotischen Bewegung für gleiche Rechte und gleiche Verantwortung“ mit, eine der wenigen Frauengruppen Zyperns. Georgalla favorisiert ebenso wie Vassiliou ein Quotensystem, um die Teilnahme von Frauen in Parlament und Regierung zu verbessern. 25 bis 30 Prozent solle die betragen.

Doch die Chancen stehen nicht gut. Selbst die postkommunistische Akel-Partei, die seit 2003 an der Regierung beteiligt ist, mag sich nicht für eine Quote erwärmen. Die Soziologin Vassiliadou schätzt nüchtern ein, dass sich auf Zypern vielleicht einhundert Frauen aktiv für Gleichberechtigung einsetzen – und die stammten aus der Mittelklasse und lebten in den urbanen Zentren.

Doch die Frauenaktivistinnen sind in der wichtigsten politischen Frage der Insel ihrer Zeit weit voraus. So setzt sich eine der größten Gruppen, die „Hands across the Divide“ mit vielleicht 20 Mitgliedern, aktiv für die Aussöhnung griechischer und türkischer Zyprioten ein. Schon lange bevor sich die Demarkationslinie zwischen Süd und Nord seit 2003 einen Spalt breit öffnete, haben sich die Frauen auf dem neutralen Boden der UN-Pufferzone getroffen.