ROSEMARIE SARDELIC, SLOWENIEN
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Rosemarie Sardelic will weg aus Murska Sobota, dieser 20.000-Einwohner-Stadt im nordöstlichen Slowenien an der Grenze zu Österreich und Ungarn. Dort ist sie aufgewachsen und dort gibt es außer Kartoffelfeldern nur Fabrikruinen und Arbeitslose. „Ich muss nach Maribor, in die Großstadt“, sagt sie, denn da sind die Jobaussichten besser für eine Frau, die fünf Jahre Wirtschaftswissenschaften studiert hat. Im Moment hat sie zwar Arbeit bei einem Heizöllieferanten, aber der Lohn reicht nicht, um eine eigene Wohnung zu mieten oder eine Familie zu ernähren. „Fast keiner meiner ehemaligen Kommilitonen hat Nachwuchs“, sagt Rosemarie Sardelic, „wir sind die Kinder der Übergangszeit.“ Damals, als das sozialistische Jugoslawien zerfiel, waren sie Teenager. Ihre größte Sorge war es nicht, wie rasant sich ihr Land politisch und wirtschaftlich wandelte: „Wir waren mit Schule, Studium, wir waren mit uns beschäftigt.“ Erst jetzt, sagt Rosemarie Sardelic, werde ihr allmählich bewusst, dass sie zu einer Generation gehöre, die sich neu orientieren müsse und sich kaum auf die Erfahrungen ihrer Eltern stützen könne, weil die mit ihren Gedanken eher noch im alten System leben. „Wir sind immer noch mitten im Umbruch“, sagt die 30-Jährige; die Einkaufszentren, die neuen Straßen und vielen Autos täuschten darüber hinweg, dass Slowenien längst nicht westeuropäische Standards erreicht habe. Beispiel Arbeitsmarkt: Die Verhandlungen mit der EU hätten Slowenien Gesetze beschert, die die Rechte von Arbeitnehmern stärkten. „Aber in der Praxis fragen mich potenzielle Arbeitgeber trotzdem, ob ich schwanger bin, und wer dagegen protestiert, wird nicht eingestellt.“  HH