Bewegend virtuos

Schwebende Selbstironie: Das schwedische Ingun Bjørnsgaard Prosjekt und das französische Duo Héla Fattoumi und Eric Lamoureux zeigen, dass das Festival „Tanz Bremen“ auch unter neuer Leitung seinen europäischen Rang bewahrt

Größer können die Gegensätze kaum sein als bei den Auftritten des Duos Héla Fattoumi und Eric Lamoureux aus Frankreich und „Ingun Bjørnsgaard Prosjekt“ aus Norwegen. Die beiden Truppen eröffneten das Festival Tanz Bremen, das mit dem Wechsel in den Biennalerhythmus auch eine neue künstlerische Leitung hat: Sabine Gehm, zuvor Dramaturgin auf Kampnagel.

Beibehalten hat sie das Grundkonzept, das neben einem Forum für arrivierte Choreographen nicht nur den internationalen Nachwuchs reichhaltig präsentiert, sondern auch die Produktionen und pädagogischen Ambitionen der bremischen Szene vorstellt. Der nahezu ausverkaufte Eröffnungsabend im Musicaltheater unterstrich den europäischen Rang des nun 15 Jahre alten Festivals: „Animal Regard“ von Fattoumi/Lamoureux, meist wie ein altes Foto in Braun getönt, zeigt mit acht TänzerInnen eine wundersame Welt von Tieren und abstrakten Lebewesen, die sich in immer neuen Metamorphosen bewegen. In Gruppen, zu zweit, alleine – wichtige Gestaltungsmittel sind die Zeitlupe und die Verquickung mit Akrobaten. Obschon man genau sieht, was von den Akrobaten und was von den Tänzern kommt, sind beide Ausdrucksformen doch harmonisch miteinander verbunden. Objekte aus Metall, wundersame Stangen und Kisten, gehen mit den TänzerInnen eine regelrechte Partnerschaft ein.

Ganz anders Ingun Bjørnsgaard aus Norwegen, deren „Vier Stücke einschließlich Sjoa & Skjåk“ im Schauspielhaus ihre Uraufführung erlebten. Skjåk ist eine Stadt und Sjoa ein Fluss: Was man inhaltlich recht einfach beschreiben kann, dass die zwei Frauen und drei Männer – durchaus im Sinne nationaler Romantik – den Kontrast zwischen Emotionen und alltäglicher moderner Leere zeigen, im Prinzip ein Dauerthema zahlloser Choreographen, erfährt bei Bjørnsgaard eine unglaublich aufregende Zuspitzung. Außerordentlich, wie die Körper im Alltag schlunzen, um aus dem Stand in Kunstfiguren höchster Expressivität überzugehen.

Auffällig ist dabei der Eindruck der Schwerelosigkeit, den die TänzerInnen wecken: Oft meint man, es gäbe keine Erdanziehung, so virtuos bewegen sie sich. Manches wird zu lang ausgekostet, manches ist nicht präzise im Gestus, aber insgesamt führt Bjørnsgaard ihre im Leben verzweifelten Menschen zurück in die Heimat.

Die Selbstironie dieses Bildes, wenn alle TänzerInnen mit strahlenden Gesichtern zurück in die Berge kommen, ist glänzend gestaltet, weil ebenso witzig wie bedrückend. Denn die Idylle trügt,die Lebenslüge beginnt erneut. Was auch sofort wieder gezeigt wird. Zusammen mit den Komponisten Henrik Hellstenius, Per Henrik Svalastog und Rolf Wallin, die ebenso empfindliche wie vitale Musik eigens für dieses Projekt komponiert haben, hat die Truppe einen außerordentlichen Eindruck hinterlassen. Ute Schalz-Laurenze

Tanz Bremen: Bis 14. März. Programm-Infos unter: www.tanz-bremen.de