JENNI ZYLKA über PEST & CHOLERA
: Augen auf beim Fernrohrkauf

Der Mars, ein mieses heißes Pflaster? Egal. Als Sternfreundin werde ich trotzdem Mitglied der „Mars Society“

In der einzig wirklich reizenden Szene des überflüssigen Julia-Roberts-Films „Mona Lisas Lächeln“ übt eine junge Cellistin versunken in ihrem dunklen Arbeitszimmer Etüden. Plötzlich steht der nette Mann neben ihr, mit dem sie schon seit Beginn des Films Süßholz raspelt. „Where do you come from?“, fragt sie ihn verwirrt. „Mars“, sagt er mit rauer, verwegener Stimme. Verständlicherweise muss sie ihn daraufhin gleich küssen, so charmant ist die Antwort.

Der Film spielt in den miefigen Fünfzigern, in denen man sich weit mehr vom Mars erhoffte als heute. Damals war noch keine Sonde am Mars vorbeigeflogen, draufgeknallt oder verschollen. Seit 1960 haben fünfzehn Raumfahrzeuge versucht, auf dem Mars zu landen, geschafft haben es vier. Die letzte Pleite, das Verschwinden des Landegeräts Beagle 2, ist erst wenige Monate her. Glücklicherweise hat es Anfang Januar mal wieder eine Sonde geschafft, und jetzt wissen wir sicher, dass es auf dem Mars Eis gibt und mal Wasser gab.

Daraus folgerte ein traumtänzerischer ESA-Wissenschaftler namens Flury, dass, „wenn zukünftig Menschen auf den Mars gingen, sie kein Wasser von der Erde mitbringen müssten. Es ist oben auf dem Mars vorhanden, und das ändert die Sachlage ganz fundamental.“ Leider ist das bis jetzt die einzige Begründung für die Missionskosten in Milliardenhöhe, der Mars ist, wie seit je bekannt, ansonsten ein ziemlich mieses, heißes Pflaster.

Trotz der traurigen Flugbilanz und der mindestens genauso traurigen Ergebnisbilanz habe ich neulich darüber nachgedacht, Mitglied der „Mars Society Deutschland e. V“ zu werden. Das ist die deutsche Untergruppe einer internationalen Marsgesellschaft, sie ist zirka 200 Personen stark, darunter ein Exastronaut und ein paar Kinder. In einigen Jahren will die deutsche Marsgesellschaft einen Forschungsballon auf ihren Lieblingsplaneten schicken, und mit dem Aufruf „Menschen zum Mars!“ beendet sie ihre Statuten. Allein das würde ich auf jeden Fall schon mal unterschreiben. Eine Menge Menschen gehören meiner Ansicht nach sogar ganz dringend dorthin.

Auch mit anderen astronomieinteressierten Gruppen sympathisiere ich seit langem: In Hamburg gibt es seit 40 Jahren die „Gesellschaft für volkstümliche Astronomie“, die hübsche Nachrichten ins Netz stellt, wie die momentane „Unbeobachtbarkeit“ von Uranus und Neptun (ändert sich glücklicherweise im April wieder). „Beratung zum Fernrohrkauf“ bieten die „Berliner Sternfreunde“. Sternfreundin bin ich definitiv! Nachrichten über Raumfahrmissionen regen mich immer richtig auf, und als in Bremen vor wenigen Tagen der Prototyp eines europäischen Raumgleiters getestet wurde, hatte ich kurz überlegt, mich doch noch schnell an der Fernuni Hagen für „Raumfahrtechnik“ einzuschreiben.

„Phoenix“, so hieß das wiederverwendbare Raumgleitermodell, soll nämlich nur der Vorläufer eines Gleiters namens „Hopper“ sein, und von dem könnte es irgendwann angeblich auch eine bemannte Version geben. Dann fiel mir aber wieder ein, dass ich zu alt und zu asthmatisch für eine Zukunft bei der ESA bin und schon den Start mit diesem exorbitant hohen Blasendruck nicht aushalten würde, dessentwegen die AstronautInnen immer Inkontinenzwindeln in ihren Anzügen tragen. Gar nicht zu reden von dem Rührei aus der Tube.

Aber Sternenkunde und Raumfahrt gehören zu meinen Lieblingshobbys. Schon, weil man sie so toll als Kind beginnen und als Erwachsener bis zum Nerdtum weitertreiben kann: Es fängt an mit „Was ist was?“-Büchern, geht weiter über das erste aus Schminkspiegeln und Klopapierrollen gebastelte Teleskop bis hin zur ersten durchwachten Nacht auf irgendeinem Vorstadtdach, und später dann lernt man seinen Partner bei einem aufregenden Offenes-Planetarium-Nachmittag kennen, oder auf einer Raumkreuzermodell-Ausstellung. Schön! Viel besser jedenfalls als das, was andere Leute als Hobby haben: Autos, Chatten oder das unglaublich anachronistische Telefonkartensammeln.

Fragen zur Raumfahrt? kolumne@taz.de Morgen: Bettina Gaus über FERNSEHEN