Viele Reisen, viele Feiern, viele Feinde

Am Sonntag stimmen die Hanauer über die Abwahl ihrer skandalumwitterten Bürgermeisterin Margret Härtel ab

Autofahrten nach Polen und Restaurantbesuche mit der Familie zahlte die Stadtkasse

HANAU taz ■ Ausgerechnet am Muttertag ist Abwahltermin für die Stadtmutter. Im hessischen Hanau stimmen die Bürger an diesem Sonntag darüber ab, ob ihre Oberbürgermeisterin Margret Härtel aus dem Amt entfernt werden soll. Jeder dritte wahlberechtigte Hanauer müsste der Abwahl zustimmen, um die 59-Jährige aus dem Amt zu jagen, die von einem Prozess wegen Betrugs und Untreue bedroht ist. Etwa 18.000 Stimmen wären also nötig, alleine für die Briefwahl liegen bereits 4.000 Anträge vor.

Den Wahlkampf hat Härtel bereits am Dienstag aufgegeben. Der gegen sie geschürte „Hass“ lasse ihr keine Chance zur Verteidigung, ließ sie verlautbaren. Ihre Familie sei „Bedrohungen und Beleidigungen“ ausgesetzt. Den Hanauer Bürgerinnen und Bürgern, die schnell noch einen Solidaritätsverein für die OB gegründet hatten und in der Stadt Plakate für „das Margretche“ klebten, riet die Politikerin, sie sollten ihre Arbeit einstellen. „Ich kann meinen Leuten diese Hetzjagd nicht länger zumuten.“

Auch Ministerpräsident Roland Koch, in Personalunion Landesvorsitzender der Union, ließ Härtel inzwischen endgültig fallen. Das Amtsgericht Hanau hatte es abgelehnt, die lebens- und reiselustige Härtel mit einem einfachen, von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl davonkommen zu lassen. Erst vorgestern gaben die Staatsanwälte bekannt, Anklage beim Landgericht erheben zu wollen – wegen Untreue und Betrugs.

Der milde Strafbefehl sei ohnehin nur aus politischen Gründen beantragt worden, wurde in der Landeshauptstadt Wiesbaden von Mitgliedern der Oppositionsparteien kolportiert. Schließlich habe die Staatsanwaltschaft im Verlauf des Ermittlungsverfahrens gegen Härtel mehrfach im Justizministerium vorstellig werden und Bericht erstatten müssen, konstatierte etwa der SPD-Landtagsabgeordnete Norbert Schmitt.

Dass die Staatsanwaltschaft nach der Ablehnung des Strafbefehls durch das Amtsgericht überraschend schnell die Anklageerhebung gegen Härtel angekündigte, ist für die SPD-Fraktion im Landtag ein Beleg dafür, „dass die Verfehlungen der Frau Härtel doch schwerer wiegen, als es das CDU-geführte Justizministerium und Koch zunächst wahrhaben wollten“.

Fidel ging es unter der Ägide von Härtel im Hanauer Rathaus zu – und profitabel, vor allem für Härtel. Die immer zum Feiern aufgelegte Oberbürgermeisterin rechnete fleißig Privatfahrten mit dem Dienstwagen ab, einmal sogar bis nach Polen. Auch Restaurantbesuche mit der Familie gingen zulasten der Stadtkasse. Ihr Fahrer diente auch als privater Gärtner und als Chauffeur ihrer Tochter.

Als die Sache zum Jahreswechsel ruchbar wurde, beauftragte Härtel den Fahrer, eine Einkaufstüte mit Belegen, Fahrtenbüchern und Terminkalendern zu verbrennen. Das jedenfalls sagte der Mann vor dem Untersuchungsausschuss der Stadtverordnetenversammlung aus. Doch in der Eile hatte Härtel nicht alles in die Tüte gepackt. Ein Teil des Beweismaterials konnte sichergestellt werden.

Der Kämmerer der Stadt wirft Härtel zudem vor, das ihr zustehende Budget satzungswidrig um rund 700.000 Euro überzogen zu haben. In dieser Sache beantragte Härtel publikumswirksam ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst. Sie habe bei den Mehrausgaben nur das „Wohl der Stadt“ im Auge gehabt und sich deshalb „nichts vorzuwerfen“.

Der Magistrat schlug jetzt zurück und beantragte beim Regierungspräsidenten in Darmstadt die Einleitung eines weiteren Disziplinarverfahrens. Die Oberbürgermeisterin habe kritische Bedienstete im Rathaus „gemobbt“, sagte Kämmerer Claus Kaminsky (SPD). Eidesstattliche Aussagen darüber lägen gleich mehrfach vor. Gibt der RP dem Verfahren statt, könnten Härtel umgehend die Ruhestandsbezüge gestrichen werden, falls sie am Sonntag tatsächlich abgewählt werden sollte. Für die Einleitung des Abwahlverfahrens hatten schon im März die Mitglieder aller Parteien die Hände gehoben.

Seit dem ist Härtel krank – und empfängt im Wohnzimmer ihres Privathauses die Lokalpresse. Bei diesen Kaffeekränzchen erzählt sie dann, dass sie „völlig unschuldig“ sei. Während der Privatreisen mit dem Dienstwagen habe sie auf dem Laptop für die Stadt gearbeitet. Die über die Stadtkasse abgerechneten opulenten Mahlzeiten seien nachweislich auch Bewirtungen gewesen, und die Tüte mit den Belegen habe sie nur deshalb verbrennen lassen, weil ihre „privaten Notizen“ nicht in falsche Hände geraten sollten.

Es ist ihre Uneinsichtigkeit, die gerade ihre Parteifreunde zu ihren härtesten Gegnern macht. Die Fraktion der Union im Stadtparlament votierte jetzt auch für den Ausschluss von Härtel aus der CDU-Fraktion.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT