„Warum nicht zwei Euro?“

RaucherInnen flüchten sich in Galgenhumor, doch politisch zeigt Rot-Grün Mut: Um die Gesundheitsreform zu finanzieren, steigt die Tabaksteuer um einen Euro pro Schachtel. Der Koalitionsausschuss ist froh – und Hans Eichel lebt (und raucht) noch

aus Berlin HEIDE OESTREICH

Ein Raunen geht durch die Menge der Journalisten. Ein Euro. Pro Packung. „Warum nicht zwei?“, ruft ein Galgenvogel den Herren Bütikofer und Scholz zu. Die Dame vom Fernsehen springt auf und muss erst mal ein paar Schritte laufen. Sie ist Kettenraucherin. Der Grünen-Vorsitzende und der SPD-Generalsekretär, die gerade die Beschlüsse des Koalitionsausschusses zur Gesundheitsreform vortragen, werden ein bisschen rot. Vielleicht aber auch vor Freude über den Coup namens Handlungsfähigkeit. Scholz: „Man darf nicht immer nur die Lippen spitzen, man muss auch mal pfeifen.“

Das hätte niemand gedacht. Gerade war noch spekuliert worden: Schaffen sie es, die Tabaksteuer um 60 Cent zu erhöhen und so vier Milliarden Euro einzunehmen? Damit könnte man das Mutterschaftsgeld und die Schwangerenversorgung per Steuern finanzieren und damit die Kassenbeiträge senken. Dagegen aber sprach ein gewichtiges Argument: Hans Eichel. Zwar sind die Tabaksteuern in Deutschland niedrig, aber das war bisher durchaus gewollt: sie sind nach den Mineralölsteuern die einträglichsten Verbrauchssteuern überhaupt. 13,78 Milliarden Euro brachten sie 2002. Deutschland wollte einfach raucherfreundlich bleiben. Eichel hatte befürchtet, dass Raucher sonst vermehrt auf Schmuggelware oder gar aufs Nichtrauchen umsteigen. Dann flössen die Steuern am Ende dünner als vor der Erhöhung. „Was haben Sie mit Hans Eichel gemacht?“, war deshalb auch eine Frage an die Koalitionäre. Dem gehe es glänzend, wusste Olaf Scholz. Er sei der überzeugenden Argumentation der Gesundheitsministerin erlegen. Ulla Schmidt will den Verlust durch den Vermeidungseffekt ausgleichen durch eine noch stärkere Erhöhung der Steuer. Ob die Rechnung auf- geht, weiß realistisch niemand. Daneben winkte der Koalitionsausschuss den Rest der vorläufigen Gesundheitsreform durch. Es wurden beschlossen: das „Hausarzt als Lotse“-Modell – wer zuerst zum Hausarzt geht, der auch ein Internist, ein Gynäkologe oder ein Kinderarzt sein kann, muss keine Praxisgebühren zahlen. Auf die Höhe der Gebühr wollte der Koalitionsausschuss sich nicht festlegen. Künftig sollen Fachärzte mit Kassen direkt Verträge schließen und so die Kassenärztlichen Vereinigungen umgehen können. Davon verspricht man sich eine direktere Kontrolle der Ärzte durch die Kassen. Bestimmte Leistungen werden von den Kassen nicht mehr bezahlt. Ob dazu das Sterbegeld zählt, war noch nicht klar. Einigkeit besteht darüber, dass die Reproduktionsmedizin nicht mehr bezahlt wird. Eine weitere Einnahmequelle werden die RentnerInnen. Bisher wurde der Krankenkassenbeitrag nur auf ihre Rente erhoben, sonstige Einnahmen wie Mieten und Ähnliches wurden nur halb bewertet. Jetzt sollen die sonstigen Einnahmen voll mitgerechnet werden. Auch soll an den Arzneimitteln gespart werden. Für die Krankengeldversicherung sollen die Versicherten künftig alleine aufkommen (siehe Kasten).

Das ganze Paket würde, ließe die Union es durch den Bundesrat, laut Scholz und Bütikofer 20 Milliarden Euro sparen und damit die Kassenbeiträge, die im Moment im Schnitt bei 14,3 Prozent liegen, um zwei Prozentpunkte senken. Auf der Strecke bleibt dabei unter anderem die Idee der Grünen, die Kassenbeiträge zu senken, indem man sie gleichmäßiger verteilt, etwa Ehefrauen miteinzahlen lässt. Dazu meinte Bütikofer trocken: „Diese Art der Versicherung hätte keine relevanten Finanzierungverbesserungen gebracht.“ Die positiven Annahmen der Grünen hätten „auf einem Rechenfehler des Sachverständigenrates“ beruht.

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