Foltervorwürfe gegen USA

Menschenrechtler werfen US-Truppen in Afghanistan Willkür, Gewaltanwendung und Misshandlung von Gefangenen vor. US-Sprecher weist Anschuldigungen zurück

BERLIN taz ■ Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft den US-Streitkräften in Afghanistan schwere Menschenrechtsverletzungen vor: Willkürliche Verhaftungen von Zivilisten, der übermäßige Einsatz von Gewalt bei Festnahmen und Misshandlungen von Gefangenen – so die Vorwürfe eines gestern veröffentlichten Berichts. Er basiert auf Untersuchungen, die 2003 und Anfang 2004 in Afghanistan und Pakistan durchgeführt wurden.

Der Bericht dokumentiert Fälle, bei denen die US-Streitkräfte Kriegstaktiken verfolgten, obwohl gewöhnliche Strafverfolgungsmaßnahmen hätten angewendet werden müssen. So seien ohne zwingenden Grund Kampfhubschrauber in Wohngebieten eingesetzt und bei der Festnahme von Zivilisten unnötig geschossen worden. Auch hätten afghanische Truppen unter US-Kommando Personen bei Durchsuchungen misshandelt und Häuser geplündert.

Der US-Militärsprecher in Afghanistan, Brian Hilferty, wies die Vorwürfe gestern in Kabul zurück. Der Bericht beruhe auf einem mangelnden Verständnis der Situation vor Ort. „Afghanistan ist ein Kriegsgebiet, und wir folgen den Gesetzen des Krieges“, sagte er. Doch laut Human Rights Watch seien viele dokumentierte Fälle selbst in einem Krieg nicht zu entschuldigen und viele Menschenrechtsverletzungen seien außerhalb von Kampfhandlungen geschehen.

Laut Human Rights Watch wurden seit 2002 über 1.000 Personen von US-Truppen in Afghanistan festgenommen. Sie werden in mehreren US-Stützpunkten gefangen gehalten. Außer dem Roten Kreuz konnte bisher keine Organisation diese Gefängnisse besuchen. Da das Rote Kreuz seine Berichte nicht veröffentliche, fehle eine öffentliche Kontrolle. „Die USA betreiben ihre Gefangenenlager in Afghanistan, ohne irgendwem gegenüber Rechenschaft darüber abzulegen“, so der Bericht.

Menschenrechtsorganisation verweisen gegenüber der taz auf die Paradoxie, dass sie inzwischen alle afghanischen Gefängnisse mit Ausnahme der von US-Truppen betriebenen besuchen dürften. Während die Afghanen auf internationalen Druck reagiert hätten und sich um Transparenz bemühten, würden sich ausgerechnet die USA stur stellen. „Repressive Regierungen auf der ganzen Welt können nun auf die USA verweisen: Wenn die straflos Menschenrechte verletzten dürfen und ungestraft davonkommen, wieso sollen wir es dann nicht auch können?“, sagte Brad Adams von Human Rights Watch. SVEN HANSEN