Jagd auf die deutschen Discounter

Ver.di-Chef Bsirske kritisiert entwürdigende Arbeitsbedingungen bei Handelsriesen: Verhältnisse „wie im 19. Jahrhundert“. Zum Teil gibt es nicht einmal Betriebsräte. Heute startet eine Kampagne gegen die Manager von Aldi, Lidl und Schlecker

AUS FRANKFURT AM MAINKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Ver.di-Boss Frank Bsirske protestierte gestern vor einer Filiale der in Europa erfolgreichsten Drogeriekette Schlecker in Hanau – gegen die „entwürdigende Beschäftigtenhaltung“ und die permanente Blockierung von Betriebsratsarbeit bei allen führenden Discountern in Deutschland. Nicht nur bei Schlecker, auch in den Lebensmittelbilligmärkten von Aldi und Lidl herrschten „Verhältnisse wie im 19. Jahrhundert“, schimpfte Bsirske.

Im Land der Schnäppchenjäger – in Deutschland halten Discounter einen Marktanteil von satten 30 Prozent – bläst Ver.di jetzt zum „Halali“ auf die „undurchsichtigen Imperien“ von Aldi und Co.: Dumpinglöhne rauf, Betriebsratsarbeit rein – und Schluss mit dem permanenten Mobbing gewerkschaftlich organisierter, meist teilzeitbeschäftigter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. So jedenfalls fasste die bei Ver.di im Bundesvorstand für den Bereich Handel zuständige Funktionärin Franziska Wiethold die Forderungen an die Manager der Discounter zusammen.

Insbesondere Lidl steht ganz oben auf der Mängelliste der Gewerkschafter. Die Nummer zwei am Markt verweigere jede Zusammenarbeit mit Ver.di und umgehe das Betriebsverfassungsgesetz mit immer neuen Gründungen von Subunternehmen (GmbHs). Gewerkschaftern werde Hausverbot erteilt. Lidl stehe kurz vor einem Boykottaufruf durch Ver.di, sagte Wiethold. Sollte sich das Unternehmen weiter hartnäckig weigern, von den Beschäftigten organisierte Betriebsratswahlen in Niederlassungen und zugeordneten Filialen (Gesamtbetriebsräte) zuzulassen, werde Ver.di auch zu diesem „letzten Mittel“ greifen.

Auch bei Aldi Süd gibt es keine Betriebsräte. Entsprechende Initiativen von Beschäftigten seien „durch massiven Druck abgewürgt“ worden, selbst in den Zentrallagern mit vielen Beschäftigten. Bei Schlecker dagegen konnten in den letzten achtzehn Monaten immerhin zehn neue Betriebsräte gewählt worden, so Wiethold weiter. In den rund 10.500 Schlecker-Filialen mit über 35.000 Beschäftigten – fast nur Frauen – würden sich jetzt ganze 75 Betriebsräte für die Kolleginnen und Kollegen einsetzen. Schlimmer als die massive Behinderung von Betriebsratsarbeit bei allen drei Discounten seien allerdings die Arbeitsbedingungen dort zu bewerten, so Bsirske. Oft seien die Filialen – gerade bei Schlecker – unterbesetzt. Überlange Arbeitszeiten und häufiges Alleinsein in den Filialen führten zu Stress- und Leistungsdruck. Überstunden würden vielfach nicht bezahlt. Und wer nicht mithalten könne, werde einem kaum aushaltbaren Überwachungsdruck ausgesetzt.

Mitarbeiterinnen von Discountern, so Wiethold, klagten über häufige Kontrollen an den Kassen, über Durchsuchungen von Handtaschen und Spinden und über „Hausbesuche“ von Vorgesetzten nach einer Krankmeldung – oder nach gewerkschaftlichem Engagement. Dem permanenten Druck nicht gewachsen, würden die Betroffenen dann von sich aus kündigen. Darüber hinaus folge dem Preiskrieg zwischen den Discountern jetzt das Lohndumping überall. Auch bei Aldi. Dort wurde vor Jahren noch übertariflich bezahlt.

Ab heute ziehen Mitglieder von Ver.di durch die Filialen der Discounter und verteilen Flugblätter an die Beschäftigten. Und Gewerkschaftsmitglieder sind aufgefordert, sich als Kunden der Discounter mit den Frauen zu solidarisieren. Sie sollen den Filialleitern sagen, dass sie „die Einhaltung bestimmter Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen“ erwarten.