Die Zigarette danach

Anwalt Getzmann wirft der Polizei vor, Beweismaterial gegen Todesschützen in Uniform vernichtet zu haben. Gegen den Polizisten, der am Heiligabend des Vorjahres einen Einbrecher erschossen hat, gibt es immer noch keine Anklage

von PETER AHRENS

Manfred Getzmann fährt schweres Geschütz auf. „Hier soll ein Täter bewusst von der Polizei gedeckt werden“, formuliert der Rechtsanwalt und legt nach: „Es gibt offenbar Strukturen in der Polizei, die in gewissen Situationen vor Straftaten nicht zurückschrecken.“ Was den Anwalt so in Rage bringt, sind die Vorgänge um die Todesschüsse an Heiligabend des Vorjahres im Stadtteil Uhlenhorst. Dort war ein 25-Jähriger von einem Polizisten durch einen Schuss in den Rücken getötet worden (siehe Kasten).

Getzmann, der die Familie des Getöteten vertritt, wirft den Ermittlungsbehörden vor, Beweismaterial vernichtet zu haben, um den Todesschützen in Uniform zu entlasten. So hat die Staatsanwaltschaft ihm in der Vorwoche mitgeteilt, dass die Kassette mit den Funksprüchen vom Tatabend gelöscht worden sei – obwohl der Anwalt bereits im Januar die Sicherstellung des Bandes verlangt hatte. Getzmann hat daher Strafantrag wegen der Unterdrückung von Beweismaterial gegen die Polizei gestellt.

Gestern rekonstruierte der Anwalt vor der Presse noch einmal haarklein den Tathergang vom 24. Dezember und machte zahlreiche Widersprüche in der Aussage des Beamten aus. Der beharrt darauf, geschossen zu haben, nachdem er eine Waffe in der Hand des Mannes gesehen habe. Bei dem Opfer Julio V. fand sich jedoch lediglich ein Schraubenzieher im Hosenbund. Auch der Schusskanal und festgestellte Blutspuren am Tatort sprächen eindeutig gegen die Version des Polizisten, in Notwehr gehandelt zu haben.

Innensenator Ronald Schill hatte noch am selben Tag behauptet, dass „das ja wohl Notwehr war“. Getzmann forderte ihn auf, „sich als politisch Verantwortlicher aus der Sache herauszuhalten und nicht mit Vorverurteilung herumzupfuschen“.

Der Anwalt bezeichnete es als einen „Skandal“, dass der Beamte nach wie vor nicht vom Dienst suspendiert sei. Der Schütze wurde lediglich im März in den Innendienst versetzt, nachdem er – in seiner Freizeit – betrunken Auto gefahren, dabei ein anderes Fahrzeug gerammt und anschließend dessen Insassen tätlich angegriffen hatte.

Die Ermittlungsbehörden weisen die Vorwürfe Getzmanns zurück. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, spricht von „abwegigen“ Angriffen auf die Polizei. Dass das Tonband mit den Funksprüchen gelöscht worden sei, sei zwar „ärgerlich, wird aber den Gang unserer Ermittlungen nicht zum Scheitern bringen“. Man habe das Protokoll des Funkverkehrs von besagtem Abend vorliegen, damit komme man auch zurecht.

Getzmann schüttelt den Kopf darüber, dass die Staatsanwaltschaft immer noch keine Anklage gegen den Schützen erhoben hat. Der hatte laut eigener Aussage seinen Kollegen nach den Schüssen lediglich gefragt: „Und, ist er ex?“ Als der Kollege dies bejahte, habe er sich auf eine Mauer gesetzt und eine Zigarette geraucht.