Drum prüfe, wer sich vier Jahre bindet

Kulturelle Wahlprüfsteine: Elf Fragen an die SprecherInnen der (etwas) größeren Bremer Parteien. Wieviel Geld braucht die Kultur? Was muss gefördert werden? Kann man sparen? Was ist mit Stadthallen-Umbau und Teerhofbrache? „Kulturhauptstadt“? Und: Wer hat das Zeug zum/zur KultursenatorIn?

1. Wann waren Sie zuletzt im Theater?

2. Was war der größte kulturpolitische Fehler der ablaufenden Legislaturperiode?

3. Wer in Ihrer Partei kommt für den Posten des/der KultursenatorIn in Frage?

4. Nach Berechnungen der Bremer Kultur Management GmbH summiert sich die Unterfinanzierung allein der 30 größten Bremer Kultureinrichtungen bis 2005 auf 20 Millionen Euro. Was muss passieren?

5. In welcher Form und im welchem Zeitrahmen reagieren Sie die Forderung, die Kultureinrichtungen mit mehrjährigen Zuwendungs-Kontrakten auszustatten?

6. Welche Kulturfelder haben aus Ihrer Sicht besonderen Nachholbedarf in Sachen Förderung?

7. Was unternehmen Sie zur Durchsetzung der eben genannten Ziele?

8. In welchen Bereichen würden Sie, wenn es vom Gesamtetat her unvermeidlich wäre, am ehesten sparen?

9. Bremen als „Kulturhauptstadt Europas“: Was bringt die Bewerbung für die freie Szene?

10. Wie stehen Sie zum Umbau der Stadthalle?

11. Was soll auf das leerstehende „Kulturdrittel“ auf dem Teerhof?

Carmen Emigholz, kulturpolitische Sprecherin der SPD:

1. Kürzlich in Berlin habe ich „Nora“ gesehen und vor einiger Zeit in Bremen „Cabaret“ und „Aida“.

2. Dass es nicht gelungen ist, ein mehrjähriges Kontraktmanagement für die Einrichtungen, die dringend Planungssicherheit brauchen, auf den Weg zu bringen und die Reorganisation der Kulturverwaltung auf der Strecke geblieben ist.

3. Diese Frage können Menschen aus der Kulturszene besser beantworten als Kulturpolitiker selbst.

4. Wir brauchen ein mit Perspektive angelegtes Finanzkonzept für die Kultur, das über ein Kontraktmanagement Planungssicherheit für Einrichtungen schafft. Zusätzlich sollten „Sondermittel“ für Projekte oder betriebsoptimierende Innovationen zur Verfügung gestellt werden.

5. Wie schon erwähnt, halte ich das Kontraktmanagement für ein wichtiges Steuerungsinstrument. Entscheidend ist, dass Politik und Einrichtungen sich über Funktion und Ziele einigen. Nach der Wahl ist hierfür die Weichenstellung für die kommenden Haushaltsjahre vorzunehmen und das Ergebnis verbindlich festzuschreiben.

6. Museen und freie Kulturszene. Sie sind leistungsfähig und innovativ und haben das Potenzial neben Musikszene und Theater der Kulturhauptstadtbewerbung Bremens positive Akzente zu verleihen.

7. Ich werde in der Fachdeputation entsprechende Schwerpunktsetzungen vorschlagen und mich dafür einsetzen, dass sie nach und nach abgestimmt mit anderen Bereichen besser finanziell ausgestattet werden. In welchen Bereichen würden Sie, wenn es vom Gesamtetat her unvermeidlich wäre, am ehesten sparen ?

8. An Overhead - Strukturen und Angeboten, die eher privatwirtschaftlichen Charakter haben, wie z.B. Agenturtätigkeiten.

9. Die Möglichkeit, das vielseitige und interessante Angebot herauszustellen, das kreative Potenzial der Stadt zu befördern und last but not least auch finanzielle Möglichkeiten, gute Projekte durchzuführen.

10. Grundsätzlich positiv, was die Erweiterung der Hallenkapazitäten angeht. Die ursprünglich geplante Errichtung von Verwaltungsgebäuden hat die SPD-Bürgerschaftsfraktion erfolgreich verhindert.

11. Ich habe zwei Träume. Entweder ein neues Kulturhaus mit Räumen für die Kammerphilharmonie und die Shakespeare - Company oder das Musicon (das hoffentlich in einigen Jahren über eine private Stiftungsinitiative zu realisieren ist, als neues Wahrzeichen für die Stadt).

Sigrid Koestermann, kulturpolitische Sprecherin der CDU:

1. Am 30. April Premiere „Vogeler“

2. Wir haben große Fehler gemacht. Schade ist, das es mit den Kontrakten über drei Jahren nicht geklappt hat.

3. Senator Dr. Kuno Böse

4. Bei den Koalitionsverhantlungen muss sichergestellt werden, dass für die Kultur mehr Geld zur Verfügung steht, um den Einrichtungen eine solide Grundlage für ihre Arbeit zu geben. Gerade mit der Bewerbung zur Kulturhauptstadt ist dieses eine wichtige Voraussetzung.

5. Bei der Aufstellung des nächsten Haushaltes müssen mehrjährige Kontrakte eingeplant werden.

6. Die „freie Kulturszene“ muss besser gefördert werden . Mit einem Blick auf die Fertigstellung der Schwankhalle und des Kulturbahnhofs sind wir auf dem richtigen Weg (Junges Theater, stepptext-dance-company.

7. Gerade bei der „freien Szene“ muss sehr auf Qualität geachtet werden . Das Image der „freien Szene“ muss verbessert werden, evtl. mit Unterstützung der BMG. Wenn nicht mehr Geld da ist, sollten wir nun die Einrichtungen mit hoher Qualität unterstützen.

8. Ich würde mir in jedem Breich die Einrichtungen genau ansehen und prüfen, ob bessere Synergien im Sinne einer Verantwortungspartnerschaft zwischen Kultursenator und den Einrichtungen erreicht werden können.

9. Die freie Szene hat eine Chance sich mit guten Projekten im Sinne von Referenzprojekten und der Unverwechselbarkeit Bremens einzubringen und so ihre Position zu stärken.

10. Ich finde den Beschluss die Stadthalle auszubauen und ein neues Foyergebäude zu errichten positiv. Hierdurch bleibt die Wettbewerbsfähigkeit der Stafthalle erhalten und in Bremen können auch zukünftig interessante Veranstaltungen stattfinden.

11. Das „Musicon“ als interessantes Bauprojekt für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt sollte ernsthaft für den Standort Teerhof geprüft werden.

Helga Trüpel, kulturpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen:

1. Am 10 April habe ich mir die Tanztheater-Premiere „persona“ im Schauspielhaus angesehen. Eine Premiere im doppelten Sinne – zum ersten Mal begleitete mich meine Tochter.

2. Bei den Koalitionsverhandlungen wurde ein viel zu niedriger Kulturetat verhandelt. Es fehlten mehr als fünf Millionen Euro jährlich. Die Folge: Endlose quälende Nachverhandlungen.

3. Helga Tüpel hat in der Ampel-Regierung als Kultursenatorin überzeugt.

4. Neben allen Umbauanstrengungen in den Kultureinrichtungen muss bei Koalitionsverhandlungen eine Erhöhung des Kulturetats vereinbart werden. Die Einrichtungen brauchen Planungssicherheit und Entwicklungsperspektiven, sonst wird die Bewerbung zur Kulturhauptstadt eine Farce.

5. Die Grünen haben sich immer für eine mittelfristige Finanzplanung und dreijährige Kontrakte ausgesprochen. Die Großen Koalition hat ihr Versprechen, mit Kontrakten Planungssicherheit zu schaffen, gebrochen. Die Kultureinrichtungen leben weiter von der Hand in den Mund – ein Trauerspiel.

6. Die Soziokultur ist besonders stiefmütterlich behandelt worden, z.B. Belladonna. Unabhängig davon sind viele andere Einrichtungen unterfinanziert.

7. Der Kulturetat muss erhöht werden, damit die Unterfinanzierung vieler Einrichtungen ein Ende hat. Außerdem wollen die Grünen alle staatlichen Mittel, die in die Kultur investiert werden, dem Kulturressort überantworten. Das Kultur-WAP des Wirtschaftsressorts umfasst circa fünfMillionen Euro jährlich.

8. Angesichts der chronischen Unterfinanzierung und Bremens Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 gibt es nichts zu sparen.

9. Die Bewerbung führt zu mehr Aufmerksamkeit. Es gibt Geld für neue Projekte, internationale Kontakte und neue Kooperationschancen mit Wirtschaft und Wissenschaft sowie internationalen Künstlern.

10. Die Grünen sind gegen die Aufstockung. Wir wollen ernsthaft die Finanzierung des Musicons prüfen lassen.

11. In dem dort entstehenden architektonisch hochwertigen Gebäude muss Platz für ein kulturelles Angebot sein. Einzelheiten müssen mit dem Investor verhandelt werden.

Dorothee Reischauer, kulturpolitische Sprecherin der FDP:

1. Im vergangenen Jahr in „Die letzten Tage der Menschheit“ im Bunker „Valentin“.

2. Der Verlust von Ilona Schmiel als Chefin der Glocke. Ein Musterbeispiel für den Umgang des Senats mit Spitzenkräften im Kulturbereich und für den Stellenwert, den er Kunst und Kultur in Bremen beimisst.

3. Für uns stehen die Themen, nicht die Personen im Mittelpunkt des Interesses.

4. Angesichts der leeren staatlichen Kassen muss zukünftig noch stärker auf privates Engagement bei der Kulturförderung und Kulturfinanzierung gesetzt werden. Die gravierende strukturelle Unterfinanzierung kann aber nicht allein von privaten Sponsoren und Stiftungen aufgefangen werden. Bremen muss die Grundfinanzierung der bestehenden Kultureinrichtungen sicherstellen.

5. Mehrjährige Kontrakte sind für Kultureinrichtungen unabdingbar. Nur dadurch kann – z.B. für Projekte und Ausstellungen – zuverlässig langfristig geplant werden; nur dadurch können die Kultureinrichtungen neue Wege gehen und ein eigenes Profil entwickeln und vielversprechende Ideen umsetzen.

6. Unmöglich, bei der graviernden Unterfinanzierung aller Kulturbereiche einen Bereich zu nennen, dem es nach acht Jahren großer Koalition nicht besonders schlecht geht. Insbesondere scheint die dezentrale Kulturarbeit in den Stadtteilen völlig aus dem Blickfeld geraten zu sein.

7. Vordringlichstes Ziel für die kommende Legislaturperoide ist die langfristige Sicherstellung einer Grundfinanzierung des Kulturbereichs. Wichtig ist dabei die Rückführung von finanziellen Mitteln und Entscheidungskompetenzen z.B. aus Wirtschaftsressort und HVG. Dadurch kann der Kulturetat aufgestockt werden. Kulturelle Förderung ist allein Sache des Kulturressorts. HVG und Wirtschaftsressort bedienen nur die kulturelle Laufkundschaft – das können auch Sponsoren und Werbewirtschaft.

8. Grundsätzlich sind Einsparungen im Kulturbereich angesichts der Bewerbung zur Kulturhauptstadt, nicht zu verantworten. Bliebe überhaupt keine andere Wahl, so käme als erstes ein Ausstieg aus Tarifverträgen, die große Kultureinrichtungen lähmen, als „Einsparpotential“ in Frage.

9. Gerade die Freie Szene ist im besonderen Maße prägend für Bremen. Sie bildet, zusammen mit der sog. Hochkultur eine Mischung, die unsere Stadt besonders auszeichnet. Der für die Bewerbung zuständige Intendant wird die Freie Szene fordern.

10. Eine Erhöhung der Platzkapazitäten ist sinnvoll, das äußere Erscheinungsbild darf dabei aber nicht verändert werden.

11. Es gibt schon einige Ideen. Von der Shakespeare-Company bis zur Ausstellungshalle. Der Plan, hier Platz für Kultur zu lassen, darf nicht fallen gelassen werden. Ideen sind gefragt.

Andreas Hein, kulturpolitischer Sprecher der PDS:

1. Nicht im Theater, aber im Konzert: Carmina Burana am 30. April in der Glocke und zwar als Trompeter auf der Bühne.

2. Der sicherlich größte Fehler war es, nach der Pleite von Jeckyll & Hyde noch ein Musical staatlich zu finanzieren.

3. Thomas Flierl. Aber der ist es schon in Berlin.

4. Weniger SpacePark – mehr Kultur! Bremen steckt Unsummen in Großprojekte, die weder der Wirtschaftskraft noch den Menschen im Land etwas bringen. So betrachtet stellt sich die Frage nach der Unterfinanzierung überhaupt nicht.

5. Mehrjährige Planungssicherheit ist ein absolutes Muss. Die Gefahr ist, dass mittels der Kontrakte auf Dauer substanziell bis auf Ehrenamtniveau gekürzt wird.

6. Im Bereich Jugendkultur ist sicher am meisten zu tun. Hier muss nach dem Motto „Selbstbestimmt statt Fremdbespaßt“ viel mehr Ausprobieren angeboten werden.

7. Wir werden in der Bürgerschaft Kulturinitiativen das Angebot machen, mit ihnen gemeinsam für ein vielfältiges kulturelles Leben in Bremen zu streiten – auch wenn wir uns nicht an der Regierung beteiligen werden.

8. Noch mehr Sparen geht nicht. Es muss endlich darüber nachgedacht werden, das Geld von denen zu holen, die mehr als Genug davon haben.

9. Solche Großevents bergen immer die Chance der Präsentation und des Austausches. Materiell wahrscheinlich nichts.

10. Der Umbau zerstört ein erhaltenswertes Baudenkmal.

11. Wünschenswert wäre eine offene Kulturwerkstatt mit Angeboten zum Mit- und Selbermachen für alle.