Sonne rauf, Sonne runter

Wenn der Dreimaster „Großherzogin Elisabeth“ in See sticht, dann geht es nicht ums Segeln, sondern darum, ein Ziel zu finden. Auf dem Schulschiff

Alte Seebären bekommen bei ihrem Anblick feuchte Augen – der Nachwuchs bleibt cool: Die „Großherzogin Elisabeth“ ist vielleicht eine Antiquität und ungekrönte Schönheitskönigin der deutschen Meere. Aber auf der Höhe der Zeit ist sie nicht. Nicht, was die Navigation an Bord angeht. Aber das tut dem Spaß keinen Abbruch. Und der Übung für den Ernstfall auch nicht. Denn auf den modernen High-Tech-Dampfern müssen Kapitän und Offiziere trotz satellitengesteuerter Navigationssysteme immer noch wissen, wie man das „nautische Besteck“ – Zirkel, Gradmesser, Geodreieck – bedient. Und sie müssen wissen, wie man mit Kompass und Fernglas ans Ziel kommt.

Das üben die Nachwuchsführungskräfte jetzt. Bei einer Fahrt ins Blaue auf der „Großherzogin Elisabeth“. Los geht es im Heimathafen Elsfleth, Sitz des Fachbereichs Nautik der Fachhochschule Oldenburg. Eigentlich will die Mannschaft nach Helgoland, aber dafür ist es zu windig. Lange Gesichter bei den Azubi-Offizieren, denn damit ist auch der zollfreie Einkauf gestorben. Ab in die Ostsee, der Wind ist mau. Die meiste Zeit fährt die „Großherzogin Elisabeth“ unter Motor. Das macht aber nichts: Es geht schließlich nicht ums Segeln, es geht ums Orientieren. „Lissy“ nennen die Studenten und Lehrer fast zärtlich das alte Schiff, das die künftigen Führungskräfte zur See fit macht für ihren Job.

Der Tag an Bord ist im Vierstundentakt strukturiert. Die 35 StudentInnen sind in drei Wachen organisiert. Am beliebtesten ist die Vier-acht-Wache, morgens und abends von vier bis acht. Denn nur diese Wache genießt das Privileg, die Sonne auf- und untergehen zu sehen. Die Acht-Zwölfer müssen sich dafür am wenigsten an ihre Zeiten gewöhnen, und die Null-Vierer haben Pech gehabt.

Spagetti und Kräutertee, SMS am Großen Belt, Musikhören im Heck – die studentische Klassenfahrt bringt vor allem eins: Spaß. Und den notwendigen Schein zum Weiterkommen im Studium. Dass Navigieren gekonnt sein will, bestreitet keiner, aber auch kaum einer glaubt, dass er auf den hoch technisierten Schiffen der Zukunft auf die alten Instrumente angewiesen sein wird.

Auch für Bastian bedeutet die Zeit auf der Lissy nicht unbedingt, dass er viel dazulernt: Er hat bereits sechs Jahre als Schiffsmechaniker auf großen Pötten und auf den Meeren der Welt hinter sich. Auch ihn juckt die Durchfahrt unter der Riesenbrücke über den Belt wenig. „Am Anfang – ja“, sagt er, dann nicht mehr. Er erzählt vom Zuckerhut. Rio de Janeirao. Achtzehnmal war er da. „Das war nur die ersten Male spannend.“ Von Seefahrerromantik keine Spur. Die Anlegezeiten in den Häfen der Welt werden immer kürzer – der Landgang ist kurz oder fällt aus, viel von der Welt sehen damit auch. Die Crew ist multinational und nicht immer verstehen alle Englisch. Da kann man schon mal sehr alleine sein, mit dem Wasser, den Wellen, den Möwen. „Das kann auch nicht jeder“, sagt Bastian. Deshalb streben die meisten einen Job an Land an. Bastian auch. Zehn Jahre noch, hat er sich vorgenommen, die ganze Tour: Zweiter Offizier, Erster, dann Kapitän, und dann ist gut. „Es sei denn“, sagt er, „ich finde doch noch mein Traumschiff.“

SUSANNE GIEFFERS