Das passt auf keinen Bierdeckel

Die Union verschiebt die supereinfache Steuerreform ihres Finanzexperten Friedrich Merz in weite Fernen, einigt sich aber darauf, den Kündigungsschutz zu lockern. Und das ist für den CSU-Chef Edmund Stoiber nur ein erster Schritt

BERLIN taz ■ Der Bierdeckel als Schreibunterlage zur Steuererklärung muss warten: Nach langem Hin und Her haben sich CDU und CSU auf Vorschläge für eine Steuerreform geeinigt, die für den Bürger zunächst kaum weniger kompliziert ist als derzeit. Das Vereinfachungskonzept des CDU-Steuerexperten Friedrich Merz wurde auf die Zeit nach der erhofften Übernahme der Regierung durch die Union vertagt. Es soll frühestens 2008 kommen – und auch dann nicht ganz so radikal ausfallen.

Einstweilen muss der Bierdeckel als Beißring für ältere Arbeitnehmer herhalten. Denn wenn es nach der Union geht, soll der gesetzliche Kündigungsschutz für aus der Arbeitslosigkeit in den Beruf zurückkehrende über 50-Jährige gelockert werden. Nur so könne die Bereitschaft der Unternehmen gesteigert werden, ältere Arbeitnehmer einzustellen, hieß es.

Aber auch jüngere Arbeitnehmer müssen nach den „Weichenstellungen am Arbeitsmarkt“, die von den Präsidien der CDU/CSU bei einer gemeinsamen Sitzung in Berlin beschlossen wurden, mit Verschärfungen rechnen. So soll bei Neueinstellungen künftig generell eine Befristung des Arbeitsvertrags auf bis zu vier statt bisher zwei Jahre möglich sein. Außerdem sieht das Unions-Konzept vor, den Anspruch auf Teilzeitarbeit einzuschränken. Weiterhin will die Union die Ladenschlusszeiten bis auf den Sonntag freigeben.

Während CDU-Chefin Angela Merkel gestern davon sprach, mit dem Konzept seien „Maß und Mitte der Volksparteien gefunden“ worden, machte CSU-Chef Edmund Stoiber deutlich, dass seine Partei noch härtere Einschnitte bei den Arbeitnehmerrechten befürwortet hätte: „Wir wären ein Stück weiter gegangen, das ist gar keine Frage.“ Für Stoiber sind die jetzt beschlossenen Konzepte nur „ein erster Schritt zur Liberalisierung eines überregulierten Arbeitsmarktes“. Es gelte die Maxime: „Sozial ist, was Arbeit schafft.“

Nach Protesten aus der CDU waren einige Punkte eines Konzepts entschärft worden, den die Generalsekretäre der Union vorgelegt hatten. Ursprünglich war geplant, den Kündigungsschutz generell in den ersten vier Jahren eines Arbeitsverhältnisses zu streichen. Zudem sollten Unternehmer von ihren Mitarbeitern unbezahlte Mehrarbeit verlangen können, „um einen Arbeitsplatz zu sichern“.

Die Streichung dieser Vorhaben erklärte der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Hermann-Josef-Arentz, zu einem „großen Erfolg“ für den Arbeitnehmerflügel. Die Aufhebung des Kündigungsschutzes für über 50-Jährige sei „hinnehmbar“, da es „ähnlich wirkende Regelungen“ bereits jetzt für über 52-Jährige gebe, erklärte Arentz.

Enttäuscht über die Entschärfung äußerte sich dagegen Industrie-Chef Michael Rogowski. „Leider sind sie als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet“, sagte der BDI-Chef. Die rot-grüne Bundesregierung lehnte die Steuer- und Arbeitsmarktkonzepte der Union als sozial unausgewogen ab. Finanzminister Hans Eichel (SPD) sprach vom traurigen Ende einer langen Geschichte.

LUKAS WALLRAFF

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