„Drei Tage Debatte sind deutlich zu wenig“

Dennis Radtke, NRW-Vorsitzender der CDA-Jugend, kritisiert das Unionsprogramm zur Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik

taz: Die Unionsspitzen haben sich auf ein Sofortprogramm geeinigt. Stehen Sie als junger Arbeitnehmer in der CDU hinter den Beschlüssen?Dennis Radtke: Immerhin sind ja die schlimmsten Dinge abgemildert worden. Durch den Einsatz von CDA-Bundeschef Arentz und dem NRW-Parteivorsitzenden Jürgen Rüttgers wurden radikale Schnitte vermieden. Was jetzt verabschiedet wurde, ist im Großen und Ganzen okay.

Auch die beschlossenen Einschränkungen im Kündigungsschutz für ältere Arbeiter?Das kann man so machen. Wichtig ist, dass gerade Menschen über 50 wieder eine Chance bekommen auf dem Arbeitsmarkt.

Wie stehen Sie zum CDU/CSU-Beschluss, wonach Unternehmen künftig Langzeitarbeitslose im ersten Jahr unter Tarif beschäftigen dürfen?Das ist mir ein Dorn im Auge. Ich befürchte, dass viele Firmen diese Neuregelung missbrauchen könnten. So nach dem Motto: Ich stelle einen Langzeitarbeitslosen für zwölf Monate unter Tarif ein, entlasse ihn dann, und hole mir den nächsten Langzeitarbeitslosen von der Straße. Das darf auf keinen Fall passieren. Im Steuerkonzept fehlt mir zudem ein Ersatz für die wegfallende Gewerbesteuer. Da muss was kommen.

Erst die „Kopfpauschale“ in der Sozialversicherung, jetzt die Einschränkungen für die Beschäftigten. Dem CDU-Arbeitnehmerflügel wird von der Parteispitze einiges zugemutet.Mich stört, dass viele dieser Entscheidungen im Schweinsgalopp durchgezogen werden. Drei Tage Debatte sind bei derart fundamentalen Veränderungen deutlich zu wenig. Da muss im Vorfeld mehr diskutiert werden.

Richtet sich diese Kritik auch gegen CDU-Chefin Merkel?Angela Merkel ist eine ordentliche Bundesvorsitzende. Aber die politische Neuausrichtung nach unseren Wahlniederlagen 1998 und 2002 fehlt mir. Wir sind doch gerade wegen unserer Sozialpolitik abgewählt worden. Daraus muss die Union lernen.

Aber in Meinungsumfragen steht die CDU/CSU zur Zeit glänzend dar?Wir profitieren vom rot-grünen Chaos. Um 2006 die Bundestagswahl zu gewinnen, muss die Union ein klares, arbeitnehmerfreundliches Profil entwickeln.

INTERVIEW: MARTIN TEIGELER