Eine für die Big Points

Beim Weltcupfinale des alpinen Skisports präsentiert sich die 19-jährige Maria Riesch als eine der erfolgreichsten Läuferinnen der Saison und personifizierte Lösung des Nachwuchsproblems im DSV

VON KATHRIN ZEILMANN

An den Worten von Ski-Cheftrainer Wolfgang Maier lässt sich gut ablesen, wie rasant Maria Riesch sich in diesem Winter entwickelt hat. Ein „großes Talent“, das man „behutsam aufbauen“ müsse, sei die noch nicht einmal 20 Jahre alte Alpin-Fahrerin, erklärte Maier vor der Saison. Als sie dann Podestplätze in St. Moritz und Cortina d’Ampezzo erreicht hatte, sagte Maier wissend lächelnd: „Sie ist eine für die Big Points. In einigen Jahren ist sie reif für den Gesamtweltcup.“ Und als Riesch Weltcupsiege in Abfahrt, Super-G und Slalom erreicht hatte, musste sich auch der Trainer nicht mehr in Zurückhaltung üben: „Das ist Weltklasse, das ist Superklasse.“

Wenn sich dieser Tage der Weltcupzirkus zum Finale in Sestriere (Italien) trifft, wird Maria Riesch zu den Erfolgreichsten des Winters zählen. Und sie wird die Einzige im Weltcup sein, die alle Rennen bestritten hat und dazu noch bei der Junioren-WM an den Start gegangen ist. „Ach, da merke ich keine große Belastung. Wenn’s gut läuft, dann hat man die Kraft, so ein Programm durchzustehen“, sagt Riesch. Neben ihrem Können – ihre Technik ist ausgefeilt, sie kann Risiken einschätzen und vermeidet Gefahren – profitierte sie bislang wohl am meisten von ihrer Unbekümmertheit. Aber wie lange noch? Die Gesetzmäßigkeiten des Leistungssports und die damit verbundene Vermarktungsmaschinerie sind schon angelaufen: Bei Rieschs daheim in Garmisch-Partenkirchen hat nach den Erfolgen der Tochter das Telefon fast ständig geklingelt: Marketingagenturen haben sich gemeldet und angeboten, Riesch unter Vertrag zu nehmen. Ein Mädel aus den Bergen, frisch und unbekümmert, schnell unterwegs auf den Pisten, blondes Haar – ein Traum für jeden Manager. Dann kamen die Boulevardmedien: Eine Münchner Zeitung schwärmte vom „Wunder Riesch“, in der Bild durfte die 19-Jährige über ihr Tattoo am Rücken reden und auch darüber, dass sie ihren Sport derzeit wichtiger als die Liebe findet. Alles garniert mit hübschen Fotos. Riesch sagt: „Der Rummel ist okay. Es darf halt nicht zu viel werden. Aber das haben ich und mein Umfeld im Griff.“

Beim Versuch, ihre hervorragenden Resultate zu erklären, ist Riesch wenig ausschweifend: „Ich habe gut trainiert. Und es macht halt einfach Spaß.“ Das klingt gut und simpel. Aber zu bedenken ist, dass Riesch in dieser Saison Siege in Abfahrt und Slalom eingefahren hat. Selten genug ist es mittlerweile geworden, dass Rennläuferinnen überhaupt in diesen beiden doch so unterschiedlichen Disziplinen starten. Und Siegchancen im Stangenwald und auf den steilen Hängen gleichermaßen – das gab es nicht mehr, seit Pernilla Wiberg, Mitte der Neunziger die große Konkurrentin von Katja Seizinger, in Abfahrt und Slalom gewann. Riesch wird auf lange Sicht das Mammutprogramm, in allen vier Disziplinen zu starten und auch noch überall auf den vorderen Ränge zu landen, wohl nicht durchstehen können, und sie wird sich entscheiden müssen, ob sie dauerhaft ihr Glück in der Geschwindigkeit – also in Abfahrt und Super-G – oder in der Technik – also in Riesenslalom und Slalom – suchen wird.

Katja Seizinger ist der Name, der im Zusammenhang mit Riesch zurzeit sehr häufig genannt wird. Denn Riesch sei ähnlich begabt wie Seizinger, erläutert Trainer Maier. Bekannt ist, zu welchen Erfolgen Seizinger raste: drei olympische Goldmedaillen, zwei Siege im Gesamtweltcup. Das lässt hoffen, denn noch vor einem Jahr, als die deutschen Ski-Damen ohne Medaillen im Gepäck die Ski-Weltmeisterschaft in St. Moritz beendet hatten, wurde ernsthaft bezweifelt, ob der alpine Skisport in Deutschland noch lange auf höchstem Niveau zu halten sei. In absehbarer Zeit würden Hilde Gerg und Martina Ertl, die jahrelang schon im Weltcup unterwegs sind und die – sie mögen es verzeihen – wahrlich niemanden mehr vom Hocker reißen, abtreten. Und falls irgendwann mal wieder vorzeigbare Resultate erreicht werden könnten, wäre die Alpin-Abteilung des Deutschen Skiverbandes (DSV) längst in Vergessenheit geraten.

Es wurde viel diskutiert über Fehler in der Vergangenheit, über schlechte Arbeit im Nachwuchsbereich. Strukturveränderungen wurden eiligst erarbeitet und „Partnerschulen des Wintersports“ aus dem Hut gezaubert. Und derweil trainierte Maria Riesch unbeeindruckt. So, wie sie es auch in diesem Jahr gerne tun würde. „Ich denke schon, dass ich mich da wieder ganz normal und gut vorbereiten werde.“ Nein, an die WM im kommenden Jahr oder an den Gesamtweltcup verschwende sie keinen Gedanken. Und Wolfgang Maier meint dazu: „Die Maria konzentriert sich eben auf das Wesentliche. Verrückt machen lässt die sich nicht.“