Paschtunen-Stamm will Bin Laden suchen

Im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan will der Zalikhel-Stamm jetzt selbst Fremde jagen und damit verhindern, dass die pakistanische Armee nach untergeschlüpften Taliban-Kämpfern sucht und so den autonomen Status des Gebiets verletzt

AUS ISLAMABADBERNARD IMHASLY

In der kleinen staubigen Wüstenstadt Wana im westpakistanischen Stammesgebiet haben sich am letzten Sonntag mehrere tausend Männer des Zalikhel-Stammes getroffen. Sie beschlossen, eine eigene Truppe auf die Beine zu stellen, die „Fremde“ in ihrem Gebiet aufstöbern soll. Im Klartext: Als erster der vielen Stämme entlang der Grenze zu Afghanistan entschieden die Zalikhel, ein Clan der Ahmadzai-Paschtunen, sich an der Jagd auf Taliban-Kämpfer und Al-Qaida-Chef Ussama Bin Laden zu beteiligen, der in dem Grenzgebiet vermutet wird.

Fünf Stammesvertreter im Parlament von Islamabad überzeugten den Clan, dass dies die beste Alternative ist, wollen sie verhindern, dass die internationale Anti-Terror-Kampagne ihre Stammesautonomie immer mehr aushöhlt. In den letzten Wochen mussten die Zalikhel zusehen, wie die pakistanische Armee immer mehr in ihre Gebiete eindrang, deren Betreten für sie früher verboten war. Ende Februar kam es bei Wana zu einer Schießerei, als Soldaten bewaffnete Zivilisten in einem Fahrzeug für potenzielle Angreifer hielten und elf von ihnen erschossen. Seitdem dürfen die Männer in Südwasiristan keine Gewehre mehr tragen, was bei Paschtunen fast einer Kastration gleichkommt. Die Armee ließ auch die Häuser von Familien, die sie der Kollaboration mit dem Feind verdächtigen, niederbrennen. Und letzte Woche nahmen Soldaten eine Reihe angesehener Stammesältester in Schutzhaft. Sie sollen erst wieder freikommen, wenn die Zalikhel Verdächtige ausliefern.

Beobachter in Islamabad zweifeln, dass dem Beschluss der Zalikhel auch die acht anderen Ahmadzai-Clans folgen werden. Das Misstrauen und der Widerstand gegenüber der Zentralgewalt ist ein Lebenselement dieser Stämme. Weder den Mogulkaisern noch der britischen Kolonialmacht oder dem pakistanischen Staat ist es je gelungen, diese Stämme zu unterwerfen.

Das Versprechen, alle „Fremden“ auszuliefern oder zu vertreiben, ist ohnehin zweideutig in einer Region, die keine rechtlich gesicherte Grenze zu Afghanistan hat, und in einer Gesellschaft, die mit den afghanischen Paschtunen stammesverwandt ist. Für die Afghanen entlang der ehemaligen „Durand-Linie“ sind die pakistanischen Grenzorte zudem natürliche Märkte, wo sie Schafwolle, Fleisch und Früchte verkaufen und sich selbst eindecken. Sie sind das Wasser, in dem die Taliban schwimmen. Auch auf Wanas Wochenmarkt waren am Sonntag nur Afghanen zu sehen, während die Clanversammlung am Ortsrand beschloss, alle Fremden aus ihrem Stammesgebiet zu vertreiben.