Schicke Energievokabeln

Das Institut für Experimentelles Bekleidungs- und Textildesign der UdK zeigte eine Kollektion des zweiten Blicks. Ihr Thema: „Was aus der Frauenbewegung wurde“

Durch Faltenlegung, Raffung und Schlitze werden Durchsichten geschaffen

Die Modenschau überrascht zunächst durch ihre Geschwindigkeit. In eiligem Schritt vollziehen die Models ihren Walk, das Rechteck entlang, von den Bänken des Publikums gesäumt. In einer knappen Viertelstunde, einer Maxiversion lang von Patty Smith’ „Because the night“, ist die Präsentation auch schon vorbei. Da gibt es kein Verweilen, Stehenbleiben, Zurückgehen. Dabei entspricht die aufs rasche Vorwärtsgehen reduzierte Choreografie durchaus der vorgestellten Prêt-à-porter-Kollektion: einer Linie, die zunächst einmal sachlich ist, farblich gedeckt gehalten und den androgynen Körpern der Models nah. Ihre Besonderheit liegt im Detail. Wie beim Faltenrock in Olive, dessen Faltung sich nur an einer Seite findet: Dort fächert sie auf in Hellgrün. Oder beim vermeintlichen Poloshirt: der Kragen streng am Hals heraufgeführt und zum Umschlagen nicht mehr gedacht, unter einseitig verdeckten Reißverschlüssen unerwartete seitliche Taschen, das Material mit leichtem Glanz.

Was die Studierenden des Instituts für Experimentelles Bekleidungs- und Textildesign der UdK unter der Leitung von Gastprofessor Piero Cividini präsentieren, ist eine Kollektion des zweiten Blicks. Ihr Thema: „Was aus der Frauenbewegung wurde“. Dabei sollen laut Kollektionsbeschreibung nicht die „Schnitte, Farben oder der Stil“ der Siebzigerjahre kopiert werden. Vielmehr gelte es, den „extrahierten Geist“ der späten 70er zu transportieren: „Aufbruchstimmung & Kampfesmut“. Besteht hier nicht die Gefahr, dass „Kampfesmut“ zur leeren Energievokabel wird – so wie das Peace-Zeichen, Che und Mao zu den alten, neuen Symbolen des „Radical Chic“? Scheint eine solche Aussage über den Zeitgeist der Siebzigerjahre nicht vielmehr eine über die eigene Zeit, eine Aussage, die die Kontrolle behalten will? Und wenn man davon ausgeht, dass Mode schon immer den Zeitgeist spiegelt, scheint dann nicht die Extraktion eines Zeitgeistes und dessen erneutes Umsetzen in Mode nicht als recht abstraktes Unterfangen?

Die Kollektion zitiert laut Selbstbeschreibung Emanzipationsmodelle von Valie Export über Angela Davis bis hin zu Bianca Jagger. Oder auch die der weiblichen Mitglieder der RAF, deren „modischer Präsenz“ sich die Studentinnen in „Abtauchen in der Großstadt“ nähern. Dass diese modisch weder präsent waren noch sein sollten, wird allerdings auch von den Entwerfenden reflektiert. Sie mussten „erreichen, dass sie verschwinden“, so eine der Studentinnen: in Kleidung, die „used aussieht“. Das Herrenhemd wird in „Strike back!“ zum Frauenkleid, an den weiblichen Körper herangeschneidert. Durch Faltenlegung, Raffung und Schlitze werden Durchsichten geschaffen, die andere Ebenen freilegen. Aber welchen Ebenen sollen das sein?

Der konzeptionelle Ansatz dieser Kollektion birgt das Problem, dass in der bloß ästhetischen Rezeption die Inhalte auf die Ober-, auf die reine Bildfläche reduziert werden. Die Haltung wird zur Pose. Andererseits hat das auch den Vorteil, dass das Konzept – sieht man von einen kleinen Ausflug in Häkelwear ab – auf zentrale Signifikanten wie etwa die lila Latzhose oder andere bekannte modische Zitate ganz verzichtet. Oder sind gerade diese blasseren Bilder das, was von der Frauenbewegung geblieben ist? So überzeugt die Kollektion weniger konzeptionell als durch Schnittführung, handwerkliche Präzision und Tragbarkeit. Sachlich und modern trotz Schnürungen und Raffungen, Biesen und Faltungen.

KATRIN KRUSE