Der umstrittene Platz

Ein „Denkzeichen“ für Rosa Luxemburg soll nach Senatsplänen auf dem gleichnamigen Platz entstehen. Annäherung an Person und Ort bot eine Veranstaltung zum Auftakt des Wettbewerbs

von WALTRAUD SCHWAB

Von allen zentralen Plätzen der Berliner Innenstadt ist der Rosa-Luxemburg-Platz einer der umstrittensten. Die radikalste Position dabei ist jene, die in der Nähe des gleichnamigen U-Bahnhofs gar keinen Platz sehen kann. Nur abgetretenen Rasen, Sandkasten, Spielgeräte, Parkfläche. Es sind Versatzstücke, die irgendwie an öffentlichen Raum erinnern. Irgendwie eben.

Zwischen diesem Sammelsurium thront die Volksbühne, die Ende 1914 eröffnet wurde. Bülowplatz hieß das Areal damals. Das Gebäude wirkt zu groß, zu mächtig, zu protzig für die enge Straßenschlucht, an deren Ende es steht. Die Idee für das Theater kommt aus einer Zeit, als die Hoffnung groß war, dass alle Macht vom Volke ausgehen könnte. Deshalb die ausladenden Dimensionen, die emporstrebende Höhe des Theaters. Volkswille, Volksbildung, Volksbühne – solche Gedanken liegen dem Ganzen zugrunde. Eine Idee, mit der bald Schindluder getrieben wurde. Die Nazis benannten den Platz nach Horst Wessel um.

Die Geschichte des Rosa-Luxemburg-Platzes ist lang. Am Wochenende wurde ein neues Kapitel eröffnet. Im Koalitionsvertrag zwischen PDS und SPD ist festgelegt, dass dort ein „Denkzeichen“ für Rosa-Luxemburg gesetzt werden soll. Mit einer dreitägigen Veranstaltung, die sich der Person und der Geschichte des Platzes nähert, wurde die Kunstwettbewerbsphase eingeleitet. „Warum Denkzeichen – es klingt wie Denkzettel?“, wird Thomas Flierl, PDS-Kultursenator, bei der Eröffnung gefragt. Er weist die Analogie zurück. Das Wort sei erfunden worden, um die gestalterischen Dimensionen zu erweitern, nicht um sie einzuschränken.

Aber ganz so einfach ist das dann doch nicht. Denn wie die Künstler und Künstlerinnen im Laufe der Veranstaltung feststellen mussten, ist ihre Beteiligung erst gefragt, wenn andere Entscheidungen bereits gefallen sind. Die denkmalpflegerische Neugestaltung des Platzes wurde bereits letztes Jahr vom Senat beschlossen. Zur Ausführung wurde das Konzept der Landschaftsarchitekten Levin und Monsigny bestimmt. Es will dem umstrittenen Platz eine Ordnung aufzwingen, die keiner kritischen Betrachtung standhält. Grobstes Gestaltungsdetail: Die drei Teile – vor, rechts und links des Theaters – die zusammen den Platz ausmachen, sollen mit 60 Zentimeter hohen Stahlplatten eingezäunt werden. Eine Barriere nicht nur gegen die Menschen sei das, meint eine Kritikerin, „es zeigt auch, dass die jungen Gestalter die Geschichte selbst abwehren“. Zu viel, zu mühselig, zu unbequem sei sie. Längst ist noch nicht alles berichtet, was diesen Ort mitten in Berlin prägt.

Ursprünglich als grandioses Ende der verlängerten Straßenflucht Unter den Linden gedacht, zerschnitt die Straßenführung das Scheunenviertel, das stadthistorisch hier angelegt war. Viele Juden und Jüdinnen lebten in dem dicht bebauten Gebiet.

In der Folgezeit wurde der Ort vor dem Theater nicht nur zum Knotenpunkt der Erbauung des Proletariats und von dessen Protesten, sondern auch zum Aufmarschplatz der Nazis. Nicht nur sammelte sich der Trauerzug für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg im Januar 1919 hier, auch das Zentralkomitee der KPD hatte seit 1926 seinen Sitz im „Karl-Liebknecht-Haus“ am Platz. Nach 1933 wird die SA das Gebäude „Horst-Wessel-Haus“ nennen und als wildes KZ und Folterort nutzen. Krawalle, Pogrome, Razzien, Tote auf allen Seiten – wer den „Rosa-Luxemburg-Platz“ gestalten will, sollte dies nicht vergessen.

Zuletzt – und eigentlich ganz am Anfang – steht dann noch die Frau selbst. Alle kennen sie, aber wer weiß schon, wer sie ist. Rosa Luxemburg ist eine schillernde Persönlichkeit, die jeden Glanz abzuwehren suchte. Sie konnte Massen begeistern, zu großen Menschenmengen sprechen. Ganz ohne Mikrofon. „Vielleicht hörten die Menschen früher besser“, sagt eine der anwesenden Künstlerinnen. „Oder sie sagte, was sie hören wollten“, ergänzt eine andere. „Oder sie hörten, was sie hören wollten“, nimmt die erste den Ball wieder auf. So viel mag Konsens sein: Rosa Luxemburg wollte eine Gesellschaft, die allen gleiche Rechte und gleichen Zugang zu Bildung ermöglichte. Aber schon ihre Forderung, dass die Freiheit immer die Freiheit des Andersdenkenden sein müsse, kam im ideologischen Streit um ihre Person unter die Räder.

„Ich möchte, dass der Landwehrkanal zum Rosa-Luxemburg-Platz umgeleitet wird“, schlägt ein Künstler vor. Nicht weil sie dorthinein geworfen wurde, sondern „weil alles fließt“.