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: Die German Open im Tennis brauchen einen Retter

Idyll mit ungewisser Zukunft

Strahlend schien die meiste Zeit die Sonne, still ruhte der Hundekehlesee hinter dem Center Court, fast aufdringlich zwitscherten die Vögel aus den zahlreichen Baumkronen, und unten auf den Plätzen tummelte sich eine erkleckliche Anzahl der besten Tennisspielerinnen der Welt, die sich eine ganze Reihe von erstklassigen Matchs lieferten. Deren letztes war das gestrige Finale, das die Belgierin Justine Henin-Hardenne gegen die Belgierin Kim Clijsters mit 6:4, 4:6, 7:5 gewann.

Idyllisch wie immer ging es also zu bei den German Open in Berlin, dennoch konnte der notorisch optimistische Turnierdirektor Eberhard Wensky einen leichten Schimmer der Besorgnis im Blick nicht immer verhehlen. Der Tennisboom in Deutschland ist definitiv vorbei, der Deutsche Tennis-Bund (DTB) verarmt, ein Turnier nach dem anderen geht verloren. Frauen in Hamburg, Männer in Stuttgart, Masters – alles futsch. German Open in Berlin – möglicherweise auch bald futsch. Nachdem die Veranstaltung 2002 noch einen dicken Gewinn erwirtschaften konnte, gibt es in diesem Jahr einen Verlust von 400.000 Euro. Der Grund sind verloren gegangene Fernsehgelder, da die ARD diesmal nicht zu bewegen war, auf ihre aufregenden Nachmittagsquotenknaller wie „Abenteuer Wildnis“ oder „Fliege“ zu verzichten und stattdessen wie früher Tennis zu übertragen.

Für das ebenfalls gefährdete Männerturnier kommende Woche in Hamburg hat es der rührige Boris Becker immerhin erreicht, dass wenigstens im dritten Programm gesendet wird. Eine ähnliche Regelung wäre auch für Berlin bitter nötig, denn wenn es dabei bleibt, dass nur Eurosport von der Hundekehle überträgt, werden die Hauptsponsoren Mastercard und Mercedes wohl abspringen – mit großer Wahrscheinlichkeit das Aus für das Turnier. Hilfe ist kaum in Sicht.

Der Verband hat die in den fetten Jahren eingenommenen Millionen durchgebracht wie ein leichtsinniger Playboy das väterliche Erbe und ist ähnlich knapp bei Kasse wie die Stadt Berlin nach jahrelanger Misswirtschaft unter Diepgen, der sich bei den German Open immer gern feiern ließ. Eberhard Wensky hofft, dass es in Sachen Fernsehen doch noch zu einer Lösung kommt, und setzt ansonsten darauf, dass Steffi Graf als Retterin aus Las Vegas herbeieilt. Einen Schaukampf für das nächste Jahr habe sie zugesagt, doch dass sie Klinkenputzen geht, wie Becker in Hamburg, ist kaum vorstellbar.

Der Women’s Tennis Association (WTA) wäre es sicher lieb, wenn das Turnier in Deutschland bleiben könnte, denn die Dinge stehen auch für sie nicht zum Besten. Vergeblich suchte sie einen Titelsponsor für ihre Tour, weltweit klagen die Veranstalter über zu hohe Preisgelder, zudem leidet die Attraktivität des Frauentennis derzeit unter der Dominanz der Williams-Schwestern. Die Marketingstrategie der WTA war in den letzten Jahren stark auf den amerikanischen Markt ausgerichtet und setzte mehr auf Glamour als auf sportliche Leistungen. Das bringt Probleme, wenn Anna Kurnikowa schwächelt, der Sister Act fade wird und US-Ikonen wie Monica Seles, Lindsay Davenport oder Jennifer Capriati von kreuzbraven Belgierinnen ersetzt werden sowie einer ganzen Armada russischer Ballprüglerinnen, die wirken, als kämen sie alle aus demselben Kraftstudio. Das Zuschauerdebakel beim letzten Masters in Los Angeles zeigte, wie gefährlich es ist, nur auf eine Karte zu setzen. Ein weiteres Ausdünnen des deutschen Marktes, wo nur noch Filderstadt im Herbst übrig bliebe, wäre unschön, auch das ein Grund, warum Christian Pirzer vom Vermarkter IMG trotz allem überzeugt ist, „dass es weitergeht“ in Berlin.MATTI LIESKE