Abstieg seit 1860 klar

Die 1:4-Niederlage des 1. FC Nürnberg bei Borussia Dortmund weist dem Club den Weg in die zweite Liga

DORTMUND taz ■ „Que sera, sera“ sangen die Fans des 1. FC Nürnberg zur Halbzeit des Spiels ihres Vereins in Dortmund: Was sein wird, wird sein. Da die Gäste zu diesem Zeitpunkt nur mit 0:1 in Rückstand lagen, ließ sich schwer einschätzen, ob die Zuschauer nun hofften, ihre Elf könne die Partie noch wenden – oder ob sie Skepsis über die gesamte Zukunft des abstiegsbedrohten Klubs ausdrücken wollten.

In jedem Fall aber lag dieses Lied über die Unbestimmtheit des Kommenden ausschließlich auf den Lippen der Anhänger. Denn kaum war das Spiel mit dem Endergebnis von 4:1 für den BVB beendet, da traf man allerorten auf Offizielle und Aktive, die erklärten, sie wären schon lange vorher im Bilde darüber gewesen, was wem wo passieren würde. „Jetzt ist eingetroffen, was wir seit 1860 wissen“, sagte zum Beispiel Nürnbergs Trainer Wolfgang Wolf. Was zunächst nach einem Ausmaß an Hellsichtigkeit klingt, das selbst Nostradamus beeindruckt hätte, meint zwar nur, dass man in Franken schon nach der Heimniederlage gegen 1860 München den Abstieg für wahrscheinlich gehalten hat. Aber immerhin: Wolf wirkte, als wäre ihm die schicksalhafte Niederlage in Dortmund ebenso unvermeidlich erschienen wie seinem Präsidenten Michael A. Roth. Jener führte nämlich aus, er habe Wolfs Vorgänger Klaus Augenthaler nicht etwa entlassen, um noch den Klassenerhalt zu schaffen, sondern allein deshalb, „damit der neue Trainer die Mannschaft schon mal kennen lernen kann“. Eben für die Zweitligasaison.

Nichts Neues gab es offenbar auch im Westen, bei Borussia Dortmund. Da hatte der Verein durch eine günstige Konstellation von Resultaten scheinbar unverhofft den zweiten Tabellenplatz zurückerobert, aber Manager Michael Meier machte seinem Ruf als Kassandra vom Borsigplatz wieder alle Ehre. „Ich habe schon vorher gesagt, dass Bremen in Stuttgart gewinnen würde. Das war zu erwarten“, meinte Meier mit der Ruhe des Wissenden. Und schob, ganz auf Du und Du mit der Vorsehung, noch hinterher: „Und nach einigen Telefonaten unter der Woche wusste ich auch, dass die Bayern Hertha schlagen.“

Selbst der Mann des Tages, der nun wahrlich Grund gehabt hätte, den Fußballgöttern für ihre Präsente zu danken, gab sich kühl und unbeeindruckt. Viele unglückliche bis peinliche Spiele hatte Lars Ricken in den vergangenen Wochen abgeliefert und dafür einiges an Kritik einstecken müssen. Gegen Nürnberg aber fiel ihm erst ein Ball vor die Füße, den er per feiner Direktabnahme ins entfernte Toreck schickte (28.), dann scheiterte er zwar Auge in Auge mit Torwart Darius Kampa, konnte aber den Abpraller zum vorentscheidenden 2:0 ins Netz stupsen (54.). „Ich habe in der Rückrunde nicht gut gespielt, teils verletzungsbedingt, teils weil mir der Spielrhythmus fehlte“, sagte der Held anschließend gelassen. „Aber es war klar, dass es von Partie zu Partie besser läuft. Daran habe ich nie gezweifelt, und der Trainer hat das auch nicht.“

Dabei hätte man durchaus zweifeln können – an Rickens Glanztag, am Erfolg des BVB und sogar am Abstieg der Nürnberger. Allerdings nur zwanzig Minuten lang. In der Anfangsphase quälten sich die Dortmunder nun schon fast gewohnt verhuscht übers Feld, als habe sie in der Enge des Raumes die Patzangst befallen, während die Gäste vier halbgare bis gute Chancen bekamen. Dann aber ließen Rickens Schüsse den „Club“ kollabieren. Giuseppe Reina (65.) und Jan Koller (68.) schlossen auch spielerisch ansprechende Angriffszüge mit zwei weiteren Treffern ab, bevor die Nürnberger doch noch, durch Sasa Ciric, ein Erfolgserlebnis feiern durften (89.). Und an diesem Tag der Hellseher musste man hinzufügen: wohl ihr letztes Tor im Westfalenstadion für lange Zeit.

Daran mag wohl auch Günther Koch gedacht haben, der Reporter des Bayerischen Rundfunks, der bereits so manchen Abstieg des Traditionsvereins kommentiert hat. Schon nach einer halben Stunde stieß er melancholisch kleine Zigarillowölkchen in den westfälischen Himmel, während rechts von ihm die weitgereisten Fans noch trotzig sangen. Aber manchmal wird eben das sein, was einfach sein muss.

ULRICH HESSE-LICHTENBERGER