Promis ohne Gewissensfreiheit

NRW-Landtagsfraktionen schicken 129 Vertreter zur Wahl des Bundespräsidenten nach Berlin. Doch selbst Promis wie Genscher und Paul Spiegel müssen am 23. Mai streng nach Parteilinie abstimmen

VON MARTIN TEIGELER

Der NRW-Landespolitik bleibt bei der Wahl des Bundespräsidenten nur eine Statistenrolle. 129 Vertreter dürfen die Fraktionen des Düsseldorfer Landtags in die Bundesversammlung am 23. Mai schicken. Doch die NRW-Truppe hat bei der Bestimmung des Staatsoberhaupts nicht viel zu sagen, alle Delegierten müssen streng nach Parteilinie abstimmen. CDU und FDP wollen geschlossen für Horst Köhler votieren, Rot-Grün muss das Kreuz bei Gesine Schwan machen.

„Wir erwarten von unseren Vertretern Geschlossenheit“, sagt Matthias Widder, Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Die 13 liberalen Präsidentenwähler aus dem größten Bundesland sind in die Disziplin für den schwarz-gelben Kompromisskandidaten eingebunden. Auch der von der NRW-FDP nominierte Wahlmann Hans-Dietrich Genscher darf nicht frei wählen, sondern muss sich an die Parteilinie halten, bestätigt Sprecher Widder.

Um Überraschungen bei der Abstimmung zu vermeiden, haben die Grünen durchweg berechenbare Berufspolitiker nominiert. Die neunköpfige Crew wird angeführt von den grünen Regierungsmitgliedern Bärbel Höhn und Michael Vesper. Promis oder politische Außenseiter schicken die NRW-Grünen diesmal nicht nach Berlin. „Wir haben nur neun Plätze“, begründet ein Parteisprecher. Bei der letzten Bundespräsidentenwahl 1999 durften Erika Biehn von der Nationalen Armutskonferenz und Marie-Theres Aden von der Initiative „Schwarze Deutsche“ für den kleinen Koalitionspartner wählen gehen.

Delikat ist die Auswahl der NRW-CDU, die 50 Stimmen hat. Oppositionsführer Jürgen Rüttgers stellte unlängst Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, als CDU-Wahlmann für den 23. Mai vor. Ob Spiegel jedoch auch tatsächlich für den konservativen Kandidaten Köhler stimmen wird, erscheint unklar. Spiegel gilt als SPD-nah – und die Abstimmung in Berlin ist geheim.

Die NRW-Sozialdemokraten dürfen mit 57 Wahlfrauen und -männern nach Berlin fahren. Am Wochenende will der SPD-Landesvorstand seine Vorschlagsliste beschließen. Auch die Genossen wollen bekannte Persönlichkeiten nominieren. Wie die Promis abzustimmen haben, ist aber schon vorher klar.