Hagener Fraktionssalat

Enttäuschte SPDler und Liberale bilden neue Fraktion im Hagener Rat – jetzt konkurrieren hier so viele Bündnisse wie in keiner anderen Stadt

Die neue Fraktion will weder links noch rechts, sondern einfach frei sein. Vor allem für Ex-SPD- FDP- und CDUler

VON ANNIKA JOERES

Hagens Stadtrat wird noch bunter: Zur heutigen Ratssitzung tritt zum ersten Mal die neue Fraktion „Bürger für Hagen“ an. Zwei SPDler und ein FDPler hatten ihre alten Parteien verlassen und die neue Gruppe am vergangenen Sonntag gegründet. Der Wahlkampf für die Kommunalwahlen im September wird in der bisher schwarz-gelb regierten Stadt nun spannend: Die etablierten Parteien CDU, FDP, SPD und Grüne kämpfen ebenso um Stimmen wie die bisher mit zwei Männern im Rat vertretenen Republikaner und zwei Wählerinitiativen – und jetzt auch noch die dritte Liste.

Besonders für die FDP hat die neue Gruppe ernste Folgen: Mit dem Austritt von Ratsherr Stephan Finck verliert sie ihren Status als Fraktion. Laut Gemeindeordnung erhält die Splitterpartei kein Geld mehr, zum Beispiel für Raummiete und Telefonrechnungen. Im laufenden Jahr sind das etwa 130.000 Euro. „Ich bin persönlich und politisch schwer getroffen“, sagt der bisherige FDP-Fraktionsvorsitzende Claus Thielmann. Der abtrünnige Student Finck hingegen pocht auf sein Gewissen, das ihm keine Wahl gelassen habe. Seine Zweifel an der Westerwelle-Partei: Die Bundespräsidentendebatte sei nicht vermittelbar.

Dabei will die neue „Bürger für Hagen“-Gruppe gerade auf lokale Themen setzen: „Wir gucken nur, was die Hagener wollen“, sagt Ex-Genosse und neuer Fraktionschef Hans-Otto Marscheider. Er sei frustriert von den ätzenden Kungelrunden. „Wir sind nicht rechts und nicht links, wir sind frei“, sagt Marscheider. „Wenn die Hagener keine Gesamtschule wollen, dann gibt es hier auch keine“.

Der Hagener Wahlkampf wird sich vor allem um ein Sparpaket der Bezirksregierung Arnsberg drehen: Zum dritten Mal hat die Stadt keinen genehmigten Haushalt, bis zum Jahr 2008 müssen 57 Millionen Euro eingespart werden.

Bei diesen tristen Aussichten könnte der ehemalige Stahlunternehmer Marscheider punkten: Er ist in Hagen eine bekannte Figur und betreibt auf seinem Schlossereigelände mit großem Erfolg das private Kulturzentrum „Tor 2“. Schon zu SPD-Zeiten galt er als Querulant.

„Jetzt ist für den Wahlkampf alles offen, es gibt keine klaren Mehrheiten mehr,“ so SPD-Geschäftsführer Ulrich Fleischer. Er sei persönlich enttäuscht von den Abtrünnigen. Erst nach der Wahl könnte die SPD entscheiden, mit wem sie koaliert.

Das sieht die CDU genauso. CDU-Geschäftsführer Bernd Löwenstein sieht das Schrumpfen seines FDP-Partners gelassen. „Das ist ihr Problem, nicht unseres.“ Sowieso sei vor der Wahl jede Partei ein Gegner, nach der Wahl sehe dann alles anders aus. Aber wie, das möchte Löwenstein nicht prognostizieren.

Die Grünen können nach Meinung von Fraktionsgeschäftsführer Hubertus Wolzenburg „keinen Honig aus der Parteigründung saugen.“ Zwar gehe er davon aus, dass die Grünen aufgrund des günstigen Landestrends kräftig aufholen werden. Aber noch könne man nicht absehen, in wessen Terrain die Initiative wildern werde.

Nicht abzusehen ist auch, ob die „Bürger für Hagen“- Liste überhaupt antreten kann: Für alle 29 Wahlbezirke muss ein Kandidat oder eine Kandidatin und zehn Unterstützungsunterschriften gefunden werden. Listen-Chef Marscheider will nicht ausschließen, den etablierten Parteien noch Mitglieder abspenstig machen zu können. „Es gibt viele Gespräche.“