Den Bock zum Gärtner gemacht

Die Ruhr Tourismus GmbH (RTG) ist wenig beliebt. Kleine Gemeinden wollen sich in Zukunft um die Beiträge drücken, die großen Städte wenden sich langsam ab. Das NRW-Wirtschaftsministerium plant Ruhr-Tourismus nur bis 2006

Ruhr taz ■ Keine Zufriedenheit herrscht bei den Gesellschaftern der Ruhr Tourismus GmbH (RTG). Vielen erscheinen ihre Leistungen nicht ausreichend, zu teuer oder einfach überflüssig. Die Zukunftsaussichten nach dem Auslaufen der Ziel-2-Fördermittel der Europäischen Union im Jahre 2006 sind nicht rosig. „Über eine Weiterfinanzierung hat sich hier noch niemand Gedanken gemacht“, sagt Andreas Lautz, Sprecher im NRW-Wirtschaftsministerium. Der Tourismus-Verband sollte dann aber auf eigenen Füßen stehen. „Wenn es ihn noch gibt“ – der grinsende Zitatgeber aus einer Stadt im Ruhrgebiet will nicht genannt werden.

Die großen Ruhr-Städte haben sich innerlich längst aus dem Verbund verabschiedet, bleiben preiswert über ihre Stadtmarketing-Gesellschaften Mitglied bei der RTG und warten die Entwicklung ab. Daran wird auch der Vorstoß von KVR-Verbandspräsident Gerd Willamowski, mehr Geld einzutreiben, nichts ändern (taz berichtete). Der Kommunalverband Ruhr ist mit 60 Prozent Mehrheitskommanditist im RTG und will ihn erhalten. Doch jetzt mucken die kleinen Gemeinden auf, wollen nicht die Financiers der Großen sein. „Wir haben schon Anfang letzten Jahres alles auf unsere Marketing GmbH übertragen“, bestätigt der Herner Stadtsprecher Gerd Werner. Die Stadt selber habe damit nichts mehr zu tun. Zum 31.12.2004 hat auch der Ennepe-Ruhrkreis seine Gesellschafterfunktion gekündigt. Einen Tag später übernimmt die Marketinggesellschaft EN-Agentur diese Funktion. Der Kreistag stimmte dieser Transaktion zu. Anlass auch hier die Ungleichbehandlung zu den großen Städten. Dort sei keine Bereitschaft zu erkennen, den jährlichen Finanzierungsbeitrag für die RTG zu erhöhen. So wird der Ennepe-Ruhr Kreis demnächst rund 15.000 Euro im Jahr sparen.

Ob sich die großen Städte langfristig alleine vermarkten können, ist umstritten. „Die Region braucht unbedingt eine Dachorganisation“, sagt Silke Landgrebe von der Fachhochschule für Wirtschaft in Bottrop. Das Ruhrgebiet hinke als junge Tourismus-Region den großen Metropolen hinterher. Und das Kirchturmdenken sei noch nicht verschwunden. Überwiegend würde nur die eigene Stadt präsentiert. Das ergab eine Studie, die sie im letzten Semester erstellt hat und bei dem die Tourismuszentralen der Ruhrgebietsstädte untersucht wurde. Viele Mängel wurden festgestellt. So viele, dass die Namen der betroffenen Städte nicht veröffentlicht wurden. „Wir haben sie dann persönlich unterrichtet“, sagt Landgrebe. In diesem Jahr wird die Studie wiederholt. Die Städte bemühten sich um rasche Verbesserungen.

Aber auch in der Praxis der Vermarktung von touristischen Ruhrgebiets-Highlights läuft es nicht rund. „Die RTG steht mittlerweile in Konkurrenz zu allen anderen Kurzurlaubs-Anbietern“, sagt Monika Dombrowsky von Tour de Ruhr. Das Reisebüro für Kultur- und Abenteuer-Reisen im Revier war kleinstes Gründungsmitglied der RTG. „Eigentlich sollte der Verband eine Moderatorenrolle besetzen, doch wir haben den Bock zum Gärtner gemacht“, sagt Dombrowsky. Jetzt fürchteten alle die direkte Konkurrenz durch die RTG. PETER ORTMANN