gottschalk sagt
: Der Ruck und der Boss

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

In Lindenthal stehen marode Trimm-Dich-Geräte. Bereits am 28.10.2003 hat der Kölner Stadt-Anzeiger in seiner Serie „Mangelhaft“ darauf hingewiesen. Bis heute ist nichts geschehen... Oh, wie ich der lokalen Themen müde bin. Ich brauche heute etwas Erhabenes. Das große politische Essay. Ich hab‘s: die Bundespräsidenten im Spiegel der Zeit.

Mit Horst Köhler wird nun ein Ökonom Präsident, während Johannes Rau der Präsident der Ökumene war. Ironie der Geschichte! 1949. Die Demokratie steckt noch in ihren Kinderschuhen, als Theodor Heuss bereits Bundespräsident wird. Bei den Kölnern ist er so beliebt, dass die Ringstraße bis zum Rhein verlängert wird, um Platz für den Theodor-Heuss-Ring zu schaffen.

Danach kommt Heinrich Lübke, der gemeinsam mit dem Satiremagazin Pardon eine erfolgreiche Schallplatte einspielt. Dann Gustav Heinemann, der das Zweimarkstück bei jung und alt beliebt macht, danach Scheel. Walter Scheel ist symbolisch für die 70er Jahre: Er singt bei „3x9“ und hat eine selbstbewusste Frau, die die Krebshilfe gründet. Ihre gemeinsame Tochter ist heute mit Hella von Sinnen zusammen. 1979. Die Siebziger gehen unweigerlich zu Ende. Da sagt man sich bei der CDU/CSU: Warum nicht mal ein Nazi? Der schneidige SS-Mann Karl Carstens wandert gern und ist unsympathisch. Hans Joachim Kuhlenkampf weigert sich, seine Abschiedsshow zu moderieren. Danach kommt der Mercedes unter den Bundespräsidenten: Richard von Weizsäcker. Mit diesem gut aussehenden Adligen kann sich Deutschland im Ausland sehen lassen, da sind sich alle einig. Seine Reden sind sehr gut. Besonnen, nachdenklich etc. pp. Zehn Jahre bewohnt er die Villa Hammerschmidt. Danach kommt ein älterer dicklicher Herr dran, der bayerisch spricht. Er führt die „Ruckrede“ ein, die fortan jeder Bundespräsident halten muss. Seine Ruckrede ist aber eindeutig die beste, danach krempeln alle die Ärmel hoch für Deutschland. Seine Frau kocht und ist gegen Mukoviszidose. 2004. Nach Rau, einem kreppsohligen Leisetreter, der sein Handwerk in der Gemeindearbeit gelernt hat, jetzt ein Typ vom Internationalen Währungsfond. Eine ausgesprochene Führungspersönlichkeit, ein Alpha-Männchen und ein Choleriker. Deutschland bekommt einen Boss.