„Die sollen doch zur FDP gehen“

Beschimpfungen für den „lieben Olaf“, Buhrufe für Franz: Auf dem Juso-Bundeskongress trifft SPD-Generalsekretär Scholz und Fraktionschef Müntefering die Wut der Jugend. Die Agenda 2010 ist „ohne Idee“, findet Juso-Chef Annen

BREMEN taz ■ Der braune Teppich zum Schluss war noch das Freundlichste, was der Nachwuchs dem „lieben Olaf“ mit auf den Weg gab: „Arrogant“ und „ignorant“ sei der Auftritt des SPD-Generalsekretärs Olaf Scholz beim Juso-Bundeskongress am Wochenende in Bremen gewesen, murrten die Polit-Youngster später, aber: „Wir haben nichts anderes erwartet.“

Das überaus hässliche Textil hatte Scholz als Zeichen dafür bekommen, dass die Jusos soziale Gerechtigkeit nicht unter den Teppich kehren. Es bildete die anschauliche Anspielung auf Scholz’ Versuch, innerparteiliche Diskussionen um die Agenda 2010 mit dem Hinweis abzuwürgen, hierbei gehe es nicht um einen „Teppichhandel“.

Zwar zeigte der 44-Jährige über das braune Stück Stoff ein amüsiertes Lächeln, ansonsten aber Entgegenkommen nur in einem Punkt: der von den Jusos geforderten Ausbildungsabgabe. Wenn nicht mehr Ausbildungsplätze entstünden, „dann werden wir was tun, auch mit gesetzlichen Mitteln“. Eines der seltenen Male, dass Scholz in Bremen Beifall bekam. Wofür auch: Scholz wiederholte die Eckpunkte der Sozialreform – „junge Menschen müssen begreifen, was wichtig ist“. Als er erklärte, „wir machen das aus Sorge um die Zukunft des Sozialstaats“, rief einer: „Lügner!“

„Die Agenda 2010 ist ohne Idee und ohne Botschaft für die Menschen im Land“, wetterte der wieder gewählte Juso-Bundesvorsitzender Niels Annen, der mit 74 Prozent der 284 Delegiertenstimmen am Abend zuvor das beste Ergebnis der Juso-Geschichte erzielt hatte. Mehr noch, die Agenda sei „eine einzige Gerechtigkeitslücke“.

Der 30-jährige Juso-Chef forderte eine Erhöhung der Erbschaftsteuer und die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Das Arbeitslosengeld II nannte Annen „eine gute Idee“, aber nicht solange es der Sozialhilfe gleichgestellt sei. Die Krankenversicherung müsse nach wie vor paritätisch finanziert werden. Und Finanzminister Hans Eichel – „seinen Prognosen glaubt doch sowieso kein Mensch mehr“ – solle sich endlich von dem Maastricht-Kriterium der Staatsverschuldung, „der heiligen Drei“ lösen, zugunsten einer „antizyklischen Investitionspolitik“. Ein entsprechender Antrag fand die große Mehrheit der Jungsozis – und wird nun Thema beim Sonderparteitag am 1. Juni.

Viele Jusos hatten sich rote Plastikstreifen aufgeklebt: „www.mitgliederbegehren.de“ stand darauf. Ihre Wut bekam auch Franz Müntefering mit voller Wucht zu spüren. Entwicklungshilfeministerin und Parteivize Heidemarie Wieczorek-Zeul, die für „ausführliches Diskutieren“ plädierte, war vom Nachwuchs noch mit Standing Ovations beglückt worden, der SPD-Fraktionschef aber erntete vor allem Buhrufe. Als Müntefering gestern – rhetorisch weit geschickter als Scholz – die SPD-Pläne als letztes Bollwerk gegen „die Merzens und die Westerwelles“, „die Teufels und die Stoibers“ verkaufte, krümmte sich in den Reihen der Bayern-Jusos ein Jüngling mit rotem Stern auf dem T-Shirt und raunte: „Tut das weh.“

Beifall kam, wenn überhaupt, meist aus einer Ecke: Eine zahlenmäßig weit unterlegene Allianz aus Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg hatte zuvor versucht, das Ruder herumzureißen – für ihre „Agenda Plus“. Von „verpflichtenden Arbeitsangeboten“ nach „höchstens 12 Monaten Arbeitslosigkeit“ ist da die Rede und von „schmerzhaften Maßnahmen“ für alle.

„Die sollen doch zur FDP gehen“, schlug den Juso-Realos entgegen. Oberjuso Niels Annen nannte den heftig ausgetragenen Konflikt später eine „Meinungsverschiedenheit“. Annen, selbst einst beim linken Flügel zu verorten, sagt inzwischen über sich: „Seit Beginn meiner Arbeit als Vorsitzender habe ich mich an keiner Strömung mehr beteiligt.“ Er wird genug damit zu tun haben, den Laden zusammenzuhalten. Einer Realo-Minderheit steht eine große linke Mehrheit gegenüber, deren äußersten Rand das Statement des Hamburger Landessprechers Michael Schaaf markierte. Auf die Frage, wie mit staatlichem Geldmangel umzugehen sei, erklärte er unter Gejohle: „Schulden sind nur dann ein Problem, wenn man sie zurückzahlen will.“

SUSANNE GIEFFERS