Aufstieg zum Abstiegskampf

In der Euphorie über den dritten Aufstieg vergisst Volker Finke, Trainer des SC Freiburg, nicht, vor allzu großen Erwartungen für die nächste Saison des kleinen Sport-Clubs in der Bundesliga zu warnen

aus Freiburg CHRISTOPH KIESLICH

Unweit des Dreisamstadions, in einer Kneipe an der Hauptverkehrsader Freiburgs, sammelt sich seit Jahren ein Teil des Freiburger Fußballpublikums. Im „Swamp“, das sowohl nach Heim- wie auch nach Auswärtsspielen seinem Namen alle Ehre macht, pulsiert noch das, was an Stehplatzkultur übrig geblieben ist. Ein relaxter Ort, an dem am Sonntagabend der DJ unermüdlich Soul und Ska aus den 60ern auflegte, während die Freiburger Fußballreisenden aus dem fernen Burghausen nach und nach eintröpfelten.

Der Vizevorsitzende Fritz Keller und Schatzmeister Heinrich Breit schauten auf dem Heimweg vorbei, A-Jugendtrainer Christian Streich war da, Manager Andreas Bornemann, und ganz spät tauchte auch noch Volker Finke auf. Ein Schlummerbecher musste sein, an dem Tag, als Freiburg mit dem 2:1 in Burghausen zum dritten Mal in die Bundesliga aufgestiegen war.

Zweifel, dass die Mission noch scheitern könnte, wollten in den zurückliegenden Wochen nicht mehr wachsen. Auch wenn es manchmal grummelte im Dreisamstadion, wenn der Sport-Club nicht die dominierende Rolle spielte, oder wenn – wie in Lübeck oder in Fürth – Spiele sang- und klanglos verloren gingen. Es waren die einzigen Niederlagen seit Jahresbeginn, womit Freiburg die beste Rückrundenmannschaft ist. Und weniger war nicht erwartet worden.

Mit dieser Erwartungshaltung lässt sich auch erklären, dass es in Burghausen nicht zu Eruptionen der Gefühle kam. „Wir haben den Abstieg korrigiert“, formulierte Richard Golz im Moment des Glücks nüchtern. Dabei hat der 1,99 Meter lange Schlussmann allen Grund, sich besonders zu freuen: Mit bald 35 Jahren ist es der erste Aufstieg überhaupt für den Ex-Hamburger. Und somit wird er auch Gelegenheit erhalten, die Marke von 400 Erstligaspielen zu erreichen. Der Zähler blieb vergangene Saison bei 398 stehen.

Eine Saison lang haben die Freiburger nun mit dem für sie neuen Empfinden umgehen gelernt, stets als Favorit auf den Platz zu kommen. „Vom ersten Tag an hatte man das Gefühl, dass man eigentlich jedes Spiel gewinnen muss“, sagt Richard Golz. Mit der nahezu identischen Mannschaft, die im Jahr zuvor noch den fürchterlichen Absturz vom Uefa-Pokal bis in die zweite Liga erlebt hatte, war es das komplizierteste Kunststück, die Köpfe für diese Aufgabe frei zu bekommen, die die Freiburger noch nicht kannten. 1993 hatte niemand einen Gedanken daran verschwendet, dass Freiburg ein Erstligastandort sein könnte.

1998, nach dem ersten Abstieg, hatte es niemand für möglich gehalten, dass man mit einer völlig neu zusammengewürfelten Truppe auf Anhieb zurückkommen könnte. Diesmal dem Druck standgehalten zu haben, ist wahrscheinlich das schönste Gefühl, das in Erinnerung bleiben wird. Deshalb urteilt Volker Finke über den neuerlichen Erfolg auch: „Dieser Aufstieg war der schwierigste.“

Dabei hat der Mann, der 1991 zum SC Freiburg kam und einen wegweisenden, modernen Fußball spielen ließ, inzwischen eine Erfolgskette, die in der Bundesliga ohne Beispiel ist: Noch keinem Trainer ist gelungen, mit ein und demselben Klub dreimal in die Erste Liga aufzusteigen. Doch solche kleinen Lorbeerkränzchen bedeuten Volker Finke nicht besonders viel. Wahrscheinlich begann für ihn in der Nacht zum Montag in einer kleinen, verrauchten Freiburger Bierkneipe schon der nächste Abstiegskampf.

Im 13. Freiburger Jahr, das hat sich der Cheftrainer fest vorgenommen, wird er den Leuten, die ins Stadion kommen, noch deutlicher sagen, dass der SC Freiburg in der Tabelle der wirtschaftlichen Möglichkeiten mit am Ende rangiert. „Der Sport-Club kann nie davon ausgehen, sich in der ersten Liga zu etablieren“, warnt Finke. Immerhin können die Freiburger mit einem gesunden Selbstbewusstsein die neue Konkurrenz aufnehmen: In einer Liga, für die eine Gesamtverschuldung von 600 Millionen Euro errechnet wurde, steht Freiburg bar jeder Belastung da. Der 24-Millionen-Euro-Haushalt für die kommende Saison basiert traditionell auf dem alten Kaufmannsgrundsatz, nur so viel auszugeben, wie eingenommen wird.

„Wir haben es richtig gemacht“, erinnert Finke an die Zeit vor drei Jahren, als die Kirch-Millionen die vermeintlich goldenen Jahre des Fußballs einläuteten. Das Geld hat der Sport-Club nicht in teure Spielerverträge mit langen Laufzeiten gesteckt, sondern in seine Infrastruktur. Er hat sich eine Fußballschule gebaut und spielt in einem kleinen, „aber feinen“ (Finke) Fußballstadion. Das Dreisamstadion hat nicht die Vermarktungsmöglichkeiten jener neuen Tempel, die im Zuge der WM 2006 entstehen. Doch Freiburg wäre nicht Freiburg, wenn man nicht auch diesen Nachteil als Herausforderung betrachten würde.