INDIEN UND PAKISTAN ZIEHEN LEHREN AUS DEM IRAKKRIEG DER USA
: Von Saddam lernen

Es sei der „dritte und letzte“ Versuch, mit Pakistan zu einem Frieden über Kaschmir zu kommen, bekannte Indiens Regierungschef letzte Woche. Die Aussage bezog sich nicht allein auf Vajpayees Alter – er ist 78 – und seine wahrscheinliche Pensionierung nach der Parlamentswahl von 2004. Zweimal hat er in seiner vierjährigen Regierungszeit einen Anlauf für eine Einigung mit dem Erzfeind genommen. Beide Versuche endeten in Misserfolgen und vertieften die Distanz zwischen den Nachbarn. Enthält Vajpayees Formulierung nun die Warnung, dass ein Krieg die einzige Option bleibt, falls dieser dritte und letzte Anlauf ebenfalls misslingt?

Beide Länder feiern in diesen Tagen den fünften Jahrestag ihrer Atomversuche. Beide behaupten, die Atomwaffen in ihren Arsenalen hätten verhindert, dass die Krisen der letzten Jahre zu einem Krieg eskaliert seien. Ob das stimmt, ist weitgehend eine Glaubensfrage. Tatsache ist, dass die Hoffnung auf nukleare Abschreckung lächerlich wirkt, wenn sich eine Million Mann auf Schussdistanz gegenüberstehen. Die Staatengemeinschaft muss daher alles tun, damit die jüngste Initiative zum Erfolg führt.

Entscheidend wird dabei das Verhalten der USA sein. Washington hat sogleich den Staatssekretär im Außenministerium, Richard Armitage, nach Südasien geschickt, um den Annäherungsprozess zu unterstützen. Das lauteste Signal sandten die USA allerdings aus dem Irak, und Premierminister Vajpayee hatte es rasch und richtig verstanden. Er habe die Hand der Freundschaft ausgestreckt, sagte er dem Parlament, weil er die Lektion des Irakkriegs beherzigte: Wenn Staaten ihre Differenzen nicht bilateral lösten, könnten sie eine Intervention von außen erwarten. Der Irakkrieg habe gezeigt, dass eine solche Intervention mehr sein kann als nur diplomatischer Druck.

Für Pakistan heißt dies, dass es seine selektive Terrorbekämpfung – Jagd auf al-Qaida und Taliban, Gastrecht für Kaschmir-Guerillas – beenden muss, will es eine militärische Drohung der USA vermeiden. Washington hat mit der Ächtung der wichtigsten Kaschmir-Untergrundgruppen als „Terrororganisationen“ deutlich gemacht, dass es in diesen eine „Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA“ sieht – was das bedeutet, hat das Schicksal Saddam Husseins klargestellt. Aber auch Indien kann sich nicht länger hinter dem Status quo verstecken. Es muss mit der Gewährung größerer Autonomie an Kaschmir dem besonderen Status dieses Bundesstaats Rechnung tragen. Und es muss mit der Aufnahme von Friedensverhandlungen endlich zeigen, dass Krieg nicht die einzige Form bilateraler Kommunikation mit Pakistan ist.

BERNARD IMHASLY