hamburg heute
: „Wir müssen alberner werden“

Die Kunstwissenschaftler Lisa Steib und Michael Glasmeier reden über die Albernheit

taz: Herr Glasmeier, wozu eigentlich Albernheit – ist das nicht ein Firlefanz ohne Hintersinn?

Michael Glasmeier: Da verwechseln sich Albernheit mit Pubertät, da lacht man über jeden Scheiß. Albernheit zeichnet sich dagegen durch eine radikale Unberechenbarkeit, Ziel- und Grundlosigkeit aus.

Aber gibt es nicht schon längst genug Blödelbarden?

Ganz bestimmt nicht. Wir müssen noch viel alberner werden. So wie es uns etwa der Künstler Erwin Wurm vormacht: bekannte Dinge weiterdrehen und weiterdrehen, bis über diesen Wiederholungszwang eine leere Geste rauskommt. Das ist subversiv, anarchisch.

Jetzt wird’s aber ganz schön seriös.

Weil Albernheit auch eine gewisse Fallhöhe braucht. Man könnte auch sagen, dass Albernheit und Ernst die zwei Seiten einer Medaille sind. Das kann man beispielweise gut auf Beerdigungen sehen oder wenn Merkel redet: Irgendwann wird es einfach zu viel und dann möchte man losprusten.

Und wer sind so die großen Albernen in der Kulturgeschichte?

In der Kunst neben Erwin Wurm natürlich das Duo Fischli / Weiss. Richtig albern war man auch in der Romantik, allen voran Ludwig Tieck. Sie können aber auch mal Nietzsche im Hinblick auf die Albernheit lesen. Da kommen Sie aus dem Lachen und Staunen nicht mehr heraus. INTERVIEW: MAP

Vortrag, Buchvorstellung und Filme: Samstag, 17 Uhr, Kunstverein Harburg

Michael Glasmeier, 57, Kunstwissenschaftler