Handball-Liga wartet auf den Hexer

Die Gummersbacher Torwart-Legende Andreas Thiel sollte den Vorsitz der Deutschen Handball-Liga übernehmen. Seit mehreren Monaten ist die Kommunikation zwischen den Parteien gestört. Sogar ein Verzicht Thiels ist denkbar

KÖLN taz ■ Die Lage ist seltsam. Im Mai 2003 ist die Gummersbacher Handball-Torwartlegende Andreas „Hexer“ Thiel mit der größtmöglichen Zustimmung für das Ehrenamt des Vorsitzenden der Deutschen Handball-Liga (HBL) auserkoren worden. Alle wollten den Juristen. Weil er prädestiniert schien, die tiefen Gräben im Handball zu überwinden. „Okay, in Gottes Namen, in einem Jahr stehe ich zur Verfügung“, sagte Thiel. Lagerdenken wollte ihm keiner nachsagen. Auch der erste Vorsitzender der im Juni 2003 installierten HBL, das Kieler Funktionärsfossil Heinz Jacobsen, hielt Thiel für einen „qualifizierten Kandidaten“. Als Termin für den Wechsel an der Liga-Spitze wurde der 1. Juli 2004 bestimmt.

Seitdem ist Stille eingekehrt. Obwohl die Handball-Ikone seinerzeit deutlich geäußert hatte, großen Wert auf eine vernünftige Einarbeitung zu legen. Ihm gehe es darum, Einblick in Dinge wie etwa das Lizenzierungsverfahren zu bekommen. Thiel will nicht eingreifen, sondern nur informiert sein – für auftretende Probleme. Doch die Protagonisten des deutschen Handballs haben sich beim designierten Chef nicht gemeldet. Und das, obwohl Thiel „vor Weihnachten um ein eindeutiges Bekenntnis“ gebeten hatte. „Vereinbart war, dass das Thema bei der Liga-Versammlung im Dezember auf die Platte kommt“, sagt Thiel, „aber das ist nicht geschehen.“

Bis heute nicht. „Ich habe berechtigte Zweifel, dass es so funktioniert, wie es propagiert wird“, sagt Thiel, der in seiner Freizeit die Keeper der deutschen Nationalmannschaft trainiert, und die Torwartfrauen von Leverkusen. „Meine persönliche Überzeugung ist, dass sie das nicht ernsthaft wollen.“

Kurios erscheint diese Sprachlosigkeit, weil die wichtigsten Akteure des Handballs mit Thiel zusammenarbeiten wollen. „Wir müssen froh sein, dass er das übernimmt“, sagt Thorsten Storm, Manager der SG Flensburg, Thiel sei „ein Glücksfall für die Liga“. Für Carsten Sauer, Manager beim Rekordmeister VfL Gummersbach, „gibt es keinen geeigneteren Kandidaten“. Sauer ist laut Thiel der einzige, der ihn im Januar kontaktierte und ihm versicherte, die Klubs ständen hinter ihm. Noch-Liga-Boss Heinz Jacobsen hat zudem in einem Interview mit dem Fachorgan „Handballwoche“ verdeutlicht, dass er definitiv aufhöre: „Auf der Ligaversammlung im Juni scheide ich aus“. Damit sind Spekulationen ausgeräumt, dass Jacobsen zurücktreten muss, um Thiel den Weg freizumachen. Auch HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann sagt: „Ich persönlich glaube, dass man sich auf Andreas Thiel einigen wird.“ Dass dies unklar ist, zeigt ein zweites Zitat. „In die Debatte werde ich mich nicht einmischen“, erklärte Bohmann gegenüber dieser Zeitung. Eine Debatte also. Bleibt die Frage, was Gegenstand dieser Debatte sein mag. Insider gehen davon aus, dass womöglich noch ein anderer Kandidat präsentiert wird.

Käme es so, bräche die mühsam hergestellte Einheit im deutschen Liga-Handball auf. „Alle Klubs unter einen Hut zu bekommen, käme der Quadratur des Kreises gleich“, glaubt Jacobsen. Thiel selbst werde solange das nicht sonnenklar ist, gar nichts vorbereiten. „Sie kriegen einen Namen, sie kriegen sicherlich auch Kompetenz“, sagt Thiel selbstbewusst, „so unbescheiden bin ich“. Aber einen Wahlkampf organisieren werde er nicht. „Wenn es nicht so kommt“, sagt er, könne er auch damit leben. Bleibt die Frage, wie lange er noch auf ein klares Statement wartet. ERIK EGGERS