Saisonstandard

Atmosphäre des Kennenlernens: Ewald Lienen präsentierte sich als neuer Trainer bei Hannover 96

hannover taz ■ Trainer bei Hannover 96 zu werden ist nicht leicht, aber es zu sein ist erheblich schwerer: 41 (Interims-)Trainer haben seit Bestehen der Bundesliga bei dem mal Erst-, mal Zweit-, mal Drittligisten auf der Bank gesessen. Während der geschasste und überaus beliebte Ralf Rangnick auf Rekordkurs war – seit über 20 Jahren blieb niemand so lange im Amt –, ist Ewald Lienen, die Nummer 42, zugleich der sechste Trainer, den der Vereinsvorsitzende Martin Kind seit Beginn seiner Amtszeit 1997 engagiert hat: Eine Kontinuität ganz eigener Art.

Auf der ersten regulären Pressekonferenz, die Lienen vor dem Heimspiel gegen Kaiserslautern in Hannover gab, war Kind, wie es die Gepflogenheiten der Branche gebieten, nicht anwesend, schließlich geht es um rein sportliche Aspekte, und doch war sein Auftritt zwei Tage zuvor noch in Erinnerung, als er den neuen Coach und dessen Co-Trainer Michael Frontzeck der Öffentlichkeit vorstellte. Der Unternehmer (oder sein Unbewusstes) sprach gleich zweifach von den „Erfahrungen im Klassenkampf“, die den Trainer für den Job prädestinierten. Lienen, der 1985 auf der Friedensliste für den nordrhein-westfälischen Landtag kandidierte, nahm es schmunzelnd.

Nun also ist er wieder mittendrin – mittendrin im Abstiegskampf. Die Spieler seien in den drei Trainingseinheiten, die er bisher geleitet hat, „sehr, sehr motiviert gewesen und engagiert zur Sache gegangen“, berichtete er, aber das sei „natürlich der Standard für den Rest der Saison.“ Ob er mit Sympathiebekundungen der Fans für Rangnick am Sonnabend rechne? Wenn es dazu komme, halte er das „nicht nur für normal, sondern für gerechtfertigt“.

Insgesamt herrschte bei Lienens Premiere eine Atmosphäre des vorsichtigen, aber wohlgesonnenen Kennenlernens, und auch die 1.471 Fans, die sich an einer Internet-Umfrage beteiligten, stehen der Berufung teils abwartend, aber überwiegend optimistisch gegenüber: 54,5 Prozent halten Lienen für eine gute Wahl, 12,4 Prozent nicht, etwa ein Drittel klickte auf den Button „neutral“. Noch mehr Zahlen, aber solche, die morgen bestimmt schon anders aussehen, je nach dem, wie es ausgeht.

Dietrich zur Nedden