Der Ring der Freiheit

Wenn ein internationales Unternehmen eine neue Verhütungsmethode präsentiert, geht es um „Sex And The City“ und jede Menge Lifestyle

„Mein Freund fühlt sich jetzt sicherer, weil er weiß, dass ich nun nichts mehr falsch machen kann“

Aus Hamburg Marco Carini

Ring frei für die Präsentation einer revolutionären Verhütungsmethode. Zur optimalen Vermarktung nehme man(n) eine fernseherfahrene Moderatorin, drei ÄrztInnen mit mediengerechter Ausstrahlung und möglichst vielen Doktoren- und Professorentiteln, zwei „glückliche Anwenderinnen“ und ein Frauenbild, auf das sich positiv Bezug nehmen lässt. Moderne Verhütung in Zeiten von Sex And The City lautete der Titel der groß angelegten PR-Veranstaltung, die gestern im Studio Hamburg stattfand; ebendort wo sonst Reinhold Beckmann seine Gesprächspartner löchert.

Beworben wird der „NuvaRing“, ein Verhütungswunder aus dem Hause des Chemiekonzerns „Organon“. Dahinter verbirgt sich ein kleiner hormongeschwängerter Kunstoffring, der, in die Vagina eingeführt, drei Wochen lang seine eisprunghemmende Chemie konstant in den weiblichen Körper abgibt. Da die Östrogene geringer konzentriert sind als bei der Pille und zudem nicht den Verdauungstrakt passieren müssen, verringern sich unangenehme Nebenwirkungen: Übelkeit, unregelmäßige Zwischenblutungen oder auch Gewichtsveränderungen sind kein Thema mehr.

In Deutschland ist der Ring seit einem Jahr im Handel, 125.000 Frauen nutzen ihn bereits. Das könnten erheblich mehr sein, finden die Hersteller, die per Umfrage herausgefunden haben, dass „jede vierte Frau sich den NuvaRing wünscht“. Allein, sie weiß nichts von seiner Existenz. Denn im Zeitalter von Verhütungsstäbchen und Drei-Monats-Spritze sei der Markt ein wenig unübersichtlich geworden, was nun mit prima PR-Konzepten korrigiert werden soll.

Ein so unscheinbarer Ring braucht zuallererst dringend ein Image: Er ist, so befindet die angereiste Pro7-Moderatorin Susann Atwell, ungeheuer „trendy“. Er passt zu der modernen, unabhängigen Frau, die Spaß am Sex hat und sich diesen nicht durch die permanente Beschäftigung mit Verhütungsmethoden nehmen lassen will. Hier liegt das zentrale Verkaufsargument: Zwei Drittel der Frauen, die per Pille verhüten, bekennen, öfter mal die Einnahme ihrer Tagesdosis Hormone aus dem Blick zu verlieren. Nun heißt es: Pille – kannste vergessen!

Der Ring macht sorglos: Einmal wie ein Tampon eingeführt, garantiert er unfallfreien Verkehr für einen Monat, ohne dass Frau auf die Bremse treten muss. Und für die Nutzerin, die befürchtet, vor lauter Sorglosigkeit die Entnahme des ausgepowerten Ringes ganz zu vergessen, gibt es gar einen SMS-Erinnerungsdienst fürs Handy.

Ganz wichtig für ein zielgruppenübergreifendes Werbekonzept: Auch die Männer profitieren von der neuen Sorglosigkeit – sie dürfen sich zurecht als Herren der Ringe begreifen. „Mein Freund fühlt sich jetzt sicherer, weil er weiß, dass ich nun nichts mehr falsch machen kann“, gibt etwa die „glückliche Anwenderin“ Martina Surwald Einblicke in eine neue Partnerschaftsharmonie. Auch beim Einsetzen kann Frau nichts versaubeuteln. Einmal eingeführt, findet der Ring schon den rechten Platz. „Es ist eigentlich wurscht, wo er genau sitzt“, beruhigt die Münchner Gynäkologin Beate Leifels-Fischer alle Frauen, denen schon mal ein Diaphragma verrutscht ist. Der Hersteller drückt den selben Sachverhalt in etwas gewählteren Worten aus: „Vagina und Ring – das perfekte Team“.

Dem einzigen Mann der Werberunde, dem niedergelassenen Magdeburger Gynäkologen Hans-Joachim Ahrendt, bleibt es vorbehalten, aus seiner Praxis über kleine Anwendungsprobleme zu plaudern. Etwa über das Paar, dem bei heftigem Sex der Ring entfleuchte: Anstelle der Zigarette danach gab‘s die gemeinsame Suche nach dem Verhüterli, das zwar fast durchsichtig, immerhin aber entschieden größer als eine Kontaktlinse ist. Da der Vaginalring zwischendurch drei Stunden an die frische Luft darf, ohne an Wirkung einzubüßen, bleibt Zeit genug, das gesamte Schlafzimmer dabei einmal gründlich aufzuräumen.

Auch die Anwenderin, die das tägliche Duschbad dazu nutzt, auch ihre Verhütungs-Neuerwerbung gleich mit zu reinigen, kann sich also Zeit lassen, sollte aber – so die Empfehlung des Frauenarztes – auf allzu scharfe Scheuermittel verzichten. Der Ring muss während seiner 21-tägigen Lebensdauer zwar nicht gewienert werden, aber – so Ahrendt – „es stört ihn auch nicht“.

Überhaupt stört dieser Ring offensichtlich niemals. Mehr als 85 Prozent der Testpersonen spürten ihn beim Verkehr gar überhaupt nicht. Und bei denen, die ihn bemerken, löse er „überwiegend ganz angenehme Gefühle“ aus, weiß Doc Ahrendt zu berichten. Der Ring, so scheint es, ist wirklich ein Alleskönner.