Schimmernde Blutergüsse

Leuchttürme, die nicht leuchten: Markus Binner und Simon Starke grüßen die Arbeiter der City Nord mit einem Banner. In der Ausstellung UHU zeigen sie „stille Stücke“ und Malewitsch in 3D

von Christian T. Schön

In der City Nord stehen zwei Leuchttürme. Neben den hohen geometrischen Bürokörpern fallen sie kaum auf; im Dunkeln sticht ihr Lichtsignal nicht aus den zu Gebäudeskulpturen gestapelten Großraumbüros hervor, in denen selbst nachts noch knalliges Neon-Licht vorgebliche Geschäftigkeit beleuchtet.

Errichtet wurden sie von Markus Binner und Simon Starke in der Ausstellung „UHU“ auf kx – nicht real, sondern im Sinne von unausgesprochenen Referenzen. Sie tragen die Namen von Ikonen der Kunst: Kasimir Malewitsch und John Cage. Leuchttürme halt. Weithin sichtbar, doch mit beschränktem Zugang.

Wer kx besucht, dem fallen – noch vor dem Eintreten – die bemalten Glasscheiben auf, die den Ausstellungsraum umziehen; die großen Flächen korrespondieren wunderbar mit den Sichtblenden eines benachbarten Fitness-Studios. Aus seinem Skizzenbuch hat Simon Starke die geometrischen Körper, die zu schweben scheinen, auf Glas übertragen. Grundmuster wie ein Würfel oder ein dreidimensionales Kreuz wiederholen sich. Mal als akkurates Großformat oder dünne Skizze, mal mit scharfen Schatten oder Strahlenkrone. Starkes Arbeit lehnt sich an die Malerei von Kasimir Malewitsch an und konzentriert sich wie diese auf Form und Farbe. Im Zentrum steht der Akt der Übertragung einer Skizze in eine Reinzeichnung, wobei schon die Skizze das Universale in sich trägt.

Doch das geschieht nicht ohne Ortsbezug und Ironie: „Immer mittags kommen die Arbeiter an dieser Fahne vorbei“, erklärt Starke die Lage einer seiner Zeichnungen an den Fensterscheiben: einer großen Flagge, die an einem Ende voll stolzer Leichtigkeit im Wind weht und am anderen in kantigem Mauerwerk erstarrt. Obwohl Stern, Hammer und Sichel fehlen, lässt sich ein überdimensionales Sowjetbanner erahnen, das die Arbeiter des Viertels täglich auf dem Weg zum Mittagstisch grüßt.

Markus Binners konzeptionelle Arbeiten sammeln auf DIN-A3-großen Tafeln die Antworten aus mehreren Internet-Mailing-Groups auf zwei Fragen. In „Silent Pieces“ bieten User an, gegen Bares ein eigenes „leises Stück“ zu komponieren, andere weisen auf Werke von modernen Komponisten, Blanko-Schallplattenseiten und natürlich John Cages 4‘33“ hin.

Fragen nach der Autorenschaft (die Antworten stammen von unbekannten Nerds) und der Archivierung von Wissen (Binner hat ein Faible für Listen) tauchen in einer Projektion in Fußbodennähe wieder auf. Hier mischen sich Fotografien der beiden Hamburger Künstler mit Bildern aus Architektur-Katalogen. Ohne erkennbare Urheberschaft laufen die Fahnen-im-Wind-Studie von Markus Binner, eine Werkschau des Architektenduos bow-wow und Simon Starkes Aufnahmen ineinander über, schließen sich zu einem selbstbezüglichen Knäuel, das hier und da in Beziehung zu den ausgestellten Arbeiten tritt.

Es ist ein in der Kunst beliebtes Spiel, diese Referenzen undurchdringlich in den Raum zu stellen und dort stehen zu lassen. Zugang erhalten nur die Leuchtturmwärter. So auch hier.

Transparenter wird die gemeinsame künstlerische Gestaltung des Raumes. Ein Picknicktisch aus Spanplatten verlängert die noble kx-Bar. Die aus zwei Gelb- und einem Rot-Ton eingerichtete Beleuchtung entschlüsselt sich auf dem Gesicht des Besucher: gelb und rot schimmernde Blutergüsse beflecken die Haut mit einem erschöpften Eindruck. Deswegen: Unbedingt nach Einbruch der Dunkelheit besuchen!

Bis 24. März, Do 17-21 Uhr, Fr 12-16 Uhr, Sa/So 14-18 Uhr, kx, Mexikoring 9a. Anmeldung zum Abendessen am 20. März (10 Euro) bei simonstarke@afterego.hh.shuttle.de