Berlin sehen – und Geld dalassen

Heute beginnt die ITB. Aber auch ohne Tourismusbörse wird die Hauptstadt bei Besuchern immer beliebter. Trotz einiger Probleme: Angebote sind unübersichtlich, die Einheimischen wenig herzlich

VON RICHARD ROTHER

Es gibt sie, die Berliner Wachstumsbranche: den Tourismus. Nicht die morgen beginnende Internationale Tourismusbörse (ITB) ist dabei ausschlaggebend, sondern die Millionen Gäste Berlins, die jährlich in die Stadt kommen: als Hotelgäste, Verwandten- oder Bekanntenbesucher, Tagesausflügler. Sie alle bringen Geld in die Stadt, kurbeln das Geschäftsleben an: vor allem in Hotels und Gaststätten, im Einzelhandel und im Dienstleistungsbereich.

Mit rund 11,3 Millionen Übernachtungen liegt Berlin derzeit in Deutschland an erster Stelle der Reiseziele, in Europa nach London und Paris auf Platz drei – noch vor Rom, Amsterdam oder Barcelona. Allerdings: nach Jahren des starken Anstiegs stagnieren die Zahlen seit 2001 oder gehen leicht zurück. Ursache ist die Reiseflaute nach dem 11. September und die schwache Inlandskonjunktur. Rund 70 Prozent der Berliner Hotelbesucher kommen aus Deutschland – und die überlegen, ob sie sich angesichts der realen Einkommensverluste, die ihnen die Reformen der rot-grünen Bundesregierung bescheren, eine Berlin-Reise noch leisten wollen.

Immerhin rund fünf Milliarden Euro Umsatz bringt der Tourismus Berlin im Jahr, rund 145.000 Jobs und 15.000 Ausbildungsplätze hängen rein rechnerisch an der Branche. Mittlerweile liegt der Beitrag des Tourismus am Berliner Volkseinkommen bei 4,3 Prozent. Das heißt: 4,3 Prozent aller in Berlin entstandenen Einkommen und Gewinne sind direkt oder indirekt auf den Tourismus zurückzuführen. 1998 lag dieser Anteil noch bei 3,5 Prozent. Die Dynamik des Tourismus beweist auch eine andere Zahl: Gegenüber 1992 gewann das Gastgewerbe rund 35 Prozent hinzu, während die Bauwirtschaft in gleichem Maße abnahm.

Zu den Stärken des touristischen Berlins zählt unter anderem die Dynamik und die ständige Veränderung der Stadt, das steigende Angebot an Messen und Kongressen, das Kulturangebot, der relativ gut ausgebaute öffentliche Nahverkehr, das im westeuropäischen Vergleich gute Preis-Leistungs-Verhältnis bei Unterkunft und Verpflegung.

Aber Berlin hat auch deutliche Schwächen: So empfinden viele Touristen das große Angebot als zu unübersichtlich, und die fehlende Anbindung an den transkontinentalen Flugverkehr behindert die Anreise internationaler Gäste. Zudem werden die Informationen, die Touristen im Alltag benötigen, immer noch nicht ausreichend international verständlich präsentiert; auch lässt die Freundlichkeit der Berliner zu wünschen übrig. Der sprichwörtliche Berliner Charme mag im Kino („Kroko“) begeistern, Touristen schreckt er ab.

Dennoch setzt sich der rot-rote Senat zum Ziel, die Zahl der Übernachtungen bis 2010 auf 15 Millionen im Jahr zu erhöhen. Nur so lassen sich die bereits abzusehenden Hotelneubauten wirtschaftlich vertreten. Unrealistisch ist das nicht, auch wenn die Love Parade aus der Mode kommen sollte: Immerhin 30 Prozent der erwachsenen Deutschen war noch nie in Berlin.