In Grenzen enttäuscht

Bayern nimmt die 0:1-Niederlage bei Real Madrid samt Ausscheiden aus der Champions League als das hin, was es ist: völlig normal. Überraschend bestenfalls, wie die Münchner mithalten konnten

AUS MADRID RALF ITZEL

Der Mann für die Zukunft hielt die Gegenwart noch ein paar Minuten fest. Als alle anderen längst in der Kabine verschwunden waren, klatschte Bastian Schweinsteiger immer noch vom Rasen aus den Münchner Fans hoch oben unter dem Stadiondach zu. Selbst jetzt legte der Blonde noch mehr Herzblut in seine Taten als die Kollegen, schon zuvor auf dem Spielfeld war das so gewesen. Zur zweiten Halbzeit eingewechselt, hatte sich der Teenager mit atemberaubender Leidenschaft dem Ausscheiden entgegengestemmt und den Riesen fast im Alleingang doch noch in die Knie gezwungen. Einer, der im Alter von 19 Jahren vor 80.000 feindlichen Spaniern im Estadio Santiago Bernabeu gegen Real Madrid so auftritt, der ist zu Hohem berufen. Und ganz abgesehen davon, dass man in der von Attentaten erschütterten spanischen Hauptstadt weit mehr hätte verlieren können als ein Fußballspiel, ist das vielleicht das Positivste, was die Bayern von der Reise mit nach Hause bringen: die Erkenntnis, einen Anführer für die Zukunft entdeckt zu haben, einen Mittelfeldspieler, der die Elf auch in schwierigen Momenten wird lenken können. So einer für die Gegenwart fehlt ihnen leider. Michael Ballack fiel einmal mehr durch. Im Vergleich zu Schweinsteiger wirkte der Nationalspieler depressiv.

Angesprochen auf seine Leistung, hielt sich Ottmar Hitzfeld bedeckt: Er wolle keine Einzelkritik üben, sagte er. Der Trainer war eine Viertelstunde nach Schlusspfiff in den Saal für die Pressekonferenz gekommen, um festzustellen, dass dort gerade Kollege Queiroz von Real Madrid Fragen beantwortete. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, wartete Hitzfeld geduldig am Rande des Podests auf seinen Einsatz. Auch das ein Bild mit Symbolwert: Die Bayern spielen auf der großen Bühne keine Hauptrolle mehr, bewahren dabei aber Haltung. Das zweite Jahr in Folge müssen sie die Champions League vorzeitig verlassen, diesmal im Gegensatz zur Vorsaison aber „erhobenen Hauptes“, wie Hitzfeld mit Recht meinte. An diesem Gefühl richtete sich die gesamte Reisegruppe schnell wieder auf nach der 0:1-Niederlage. Die Enttäuschung hielt sich in Grenzen, schließlich hatte nicht viel gefehlt, um das Viertelfinale gegen den Favoriten zu erreichen, und das war schon weit mehr, als man noch vor drei Wochen zu erträumen wagte.

So konnte Stürmer Roy Makaay frisch geduscht die Chancen des FC Bayern vorzählen, vor allem die aus der Endphase der ersten Halbzeit. Und Torwart Oliver Kahn, dessen Patzer beim 1:1 im Hinspiel letztlich mitentscheidend war, sprach vom „fehlenden Quäntchen Glück“ und stutzte den Gegner auf Normalmaß: Real sei „alles andere als unschlagbar. Gegen diese Mannschaft musst du nicht ausscheiden.“ In der Tat wirkte Spaniens Tabellenführer ohne die Brasilianer Roberto Carlos und Ronaldo phasenweise gewöhnlich. „Die Nacht der Nebendarsteller“, titelte das Renommierblatt El País gestern, und zog den Hut vor dem eher grobmotorischen Verteidiger Michel Salgado. Der bereitete nach einer halben Stunde das Tor vor, als er einem scheinbar verlorenen Ball hinterherjagte und entschlossen ein Kopfballduell gegen Robert Kovac gewann; kurz darauf rettete er noch vor Pizarro auf der eigenen Linie.

Es war ein Abend für Krieger, keiner für Künstler. Nicht umsonst wurde in dieser intensiven, packenden Schlacht einige Male zünftig gerangelt. „Unheimlich schwer“, sei es gewesen, stöhnte Carlos Queiroz, während David Beckham von einem „tough match“, einer harten Partie, sprach.

Auch Torschütze Zinedine Zidane, der als Einziger neben Ze Roberto den Wettkampf mit Kunststücken bereicherte, räumte ein, dass das Spiel „auch zur anderen Seite hätte kippen können“. Dass es das nicht tat, hätte die Münchner in früheren Jahren maßlos geärgert, heuer sind sie froh, dass es überhaupt möglich war. Schließlich befürchtete man noch vor kurzem, sich gegen die Madrider Weltauswahl lächerlich zu machen. So sorgte bereits für Zufriedenheit, „sich ganz gut verkauft“ (Kahn) und das angekratzte Image wieder etwas aufpoliert zu haben. Und deshalb richtete die Delegation aus Bayern den Blick forsch nach vorne auf nationale Ziele. Kahn sieht „keinen Grund, Trübsal zu blasen“, und bläst lieber zum Angriff auf Werder Bremen: „Jetzt können wir ohne Doppelbelastung in der Bundesliga Gas geben und versuchen, doch noch Meister zu werden.“ Trainer Ottmar Hitzfeld stieß in dasselbe Horn: „Nun konzentrieren wir uns mit Optimismus auf die Meisterschaft. Sieben Punkte sind nicht unaufholbar.“