Soldaten als Polizei

Für die Terrorabwehr durch die Bundeswehr im Innern will die Union das Grundgesetz ändern. Struck ist auch dafür

FREIBURG taz ■ Die Diskussion um Anti-Terror-Einsätze der Bundeswehr im Inland geht heute in eine neue Runde. Die vier Länder Bayern, Hessen, Thüringen und Sachsen bringen in den Bundesrat einen Antrag auf Grundgesetzänderung ein, der die Bundeswehr zur Abwehr von Terrorangriffen aus der Luft und von der See ermächtigt sowie der Armee den Schutz ziviler Gebäude und Anlagen erlaubt.

Grundsätzlich sind alle Fraktionen im Bundestag dafür, die Bundeswehr zur Terrorabwehr im Innern einzusetzen. SPD, Grüne und FDP wollen der Bundeswehr in einem Luftsicherheitsgesetz aber „nur“ erlauben, von Terroristen gekaperte Flugzeuge notfalls abzuschießen, falls diese als Waffe eingesetzt werden sollen. Eigentlich ist für alle Vorschläge eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich. Denn nach dem Streit um die Notstandsverfassung Ende der 60er-Jahre erhielt die Bundeswehr im Inland nur wenige präzise Befugnisse, gebunden an den Verteidigungs-, Aufstands- oder Katastrophenfall.

Rot-Grün will das Luftsicherheitsgesetz aber ohne Grundgesetzänderung verabschieden, um nicht mit der Union über deren weitergehende Wünsche verhandeln zu müssen. Sie berufen sich auf eine „mutige Interpretation“ des Grundgesetzes: der laut Grundgesetz zulässige Bundeswehr-Einsatz „bei einem besonders schweren Unglücksfall“ decke auch die Bekämpfung von Terroristen zur Verhinderung eines Unglücksfalles.

Vor allem die Grünen wollen auf keinen Fall über eine Verfassungsänderung reden. Bei der SPD ist die Stimmung weniger eindeutig. Innenminister Otto Schily versprach Ende Januar eine „vorurteilsfreie Prüfung“. Und Verteidigungsminister Peter Struck sprach sich gestern ausdrücklich für eine „Klarstellung“ des Grundgesetzes aus. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) geht allerdings davon aus, dass das Luftsicherheitsgesetz gar nicht erst zustande kommt, weil der Bundesrat die Zustimmung verweigern wird. Rot-Grün könnte das Gesetz jedoch auf einen zustimmungsfreien Kern zurechtstutzen. Dann müssten CDU/CSU oder einzelne Länder in Karlsruhe klagen. CHRISTIAN RATH