Sparen statt Strategie

Regierungsratgeber kritisieren Regierung: Entwurf zur Nachhaltigkeitsstrategie erfasst nicht den Ernst der Lage

BERLIN taz ■ Vor zwei Jahren stellte Kanzler Gerhard Schröder unter großem Pomp seine Nationale Nachhaltigkeitsstrategie vor. Diesen Herbst wird die Regierung ihren ersten „Fortschrittsbericht“ vorlegen. Doch der von Schröder eingesetzte Nachhaltigkeitsrat ist enttäuscht: Ein Vorentwurf, der dem Rat zur Konsultation vorgelegt wurde, bilde „den Ernst der Lage nicht ab“, heißt es in einer Erklärung. Rats-Vorstand Volker Hauff, selbst SPD-Mitglied, kritisiert, dass „die Leitidee der Nachhaltigkeit noch nicht wirklich politisch verankert“ sei. Das gelte vor allem für die Agenda 2010.

„Und dort, wo das geschieht, muss die Regierung auch dazu stehen“, fordert Hauff. Beispiel Eigenheimzulage: Ihr Abschmelzen ist auch aus Sicht des Rates nützlich, denn es vermindert die Zersiedelung. Doch die Regierung verschweige dieses Motiv. Wer nur über Sparen rede, tadelt Hauff, mache nicht deutlich, welche Zukunftsideen er verfolgt. Im Bereich Energiepolitik mangelt es aus Sicht des Rates an Konzepten für mehr Energieeffizienz. Es könne nicht darum gehen, „die derzeitige Energieverschwendung mit anderen Energieformen fortzuführen“. Im Bereich Mobilität bemängelt der Rat, dass die Regierung stark „technologieorientierte Lösungsansätze“ betone.

Kurios ist das Fehlen der Aspekte Bildung und Innovation im Vorentwurf zum Fortschrittsbericht. Noch vor zwei Jahren waren sie als Schwerpunkte angekündigt worden. Das sollte umso mehr gelten, als der Kanzler und sein Parteichef Franz Müntefering sie inzwischen zu Kernthemen der Koalition erhoben haben. Der Rat verlangt, dass sie als „strategische Kernthemen“ in der Nachhaltigkeitsstrategie „zentral behandelt werden“.

Auch den Umweltsprecher der grünen Fraktion, Winfried Hermann, stört, dass die SPD unter Innovation alles subsumiere, was nur „technologisch neu“ sei. „Man muss doch fragen, Innovation für was?“, sagt Hermann. „Nachhaltigkeit bietet den Leitbegriff, um Innovation eine Richtung zu geben, einen Sinn.“

Hermann gehört dem Parlamentarischen Beirat Nachhaltigkeit an, der gestern offiziell eingesetzt wurde. „Politische Entscheidungen sind nach wie vor zu kurzfristig angelegt“, sagt die sozialdemokratische Abgeordnete Astrid Klug, die das Gremium leiten wird. Der neue Beirat ist Ausdruck des Misstrauens vieler Koalitionsabgeordneter an der Ernsthaftigkeit, mit der das Kabinett seine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt.

MATTHIAS URBACH